Schwerte. Darf man das? Die Stadt Schwerte will Flüchtlinge in einer Baracke des ehemaligen Konzentrationslagers (KZ) Schwerte-Ost unterbringen. Diese Entscheidung weckt bei bei einigen Beobachtern ein ungutes Gefühl, Kritik kommt vom Flüchtlingsrat in NRW. Die Stadt selbst sieht das Ganze gelassen.
Bis zu 21 Asylsuchende sollen in die SS-Wachbaracke des damaligen Außenlagers des KZ Buchenwald einziehen. Dies sei "bedenklich und befremdlich", sagte am Freitag die Geschäftsführerin des NRW-Flüchtlingsrats, Birgit Naujoks. Unwillkürlich würden "böse Erinnerungen und unheilvolle Bilder" hervorgerufen.
21 Asylsuchende will die Kommune auf dem Gelände des ehemaligen Eisenbahnausbesserungswerkes (EAW) Schwerte-Ost einquartieren. Die Baracke, um die es geht, steht in einem Industriegebiet. Im Zweiten Weltkrieg wurden hier Lokomotiven repariert.
Gedenkstätte eingerichtet
Bis zu 700 polnische Zwangsarbeiter wurden 1944 in der Außenstelle des KZ Buchenwald festgehalten, erklärt der Schwerter Historiker Alfred Hintz. Die Unterkünfte der Gefangenen sind nicht mehr erhalten, erst seit 1990 ist an dieser Stelle eine Gedenkplatte angebracht. Daneben sollen nun Flüchtlinge einziehen, in die Baracke der SS-Aufseher. Sie ist noch erhalten, auch weil sie nach 1945 immer wieder genutzt wurde. "Wir haben Verständnis dafür, dass mancherorts Notlösungen gefunden werden müssen", erklärt die Geschäftsführerin des NRW-Flüchtlingsrats, Birgit Naujoks: "Im konkreten Fall begreife ich aber nicht, warum die Stadt Schwerte nicht Container aufstellt."
Stadt weist Kritik zurück
Carsten Morgenthal, Sprecher der Stadt Schwerte, weist die Kritik zurück. Eine Containerlösung sei im aktuellen Fall keine Alternative gewesen - nicht nur aus Kostengründen. "Es gibt derzeit kaum verfügbare Container auf dem Markt", so Morgenthal.
Unproblematisch finden die Verantwortlichen ihren Plan auch, weil die Wachbaracke seit Kriegsende immer wieder genutzt wurde: als Lagerhalle, als Kindergarten, zuletzt war sie ein Atelier. Vor allem: Es ist nicht das erste Mal, dass Flüchtlinge dort einziehen. Vor rund 20 Jahren wurde sie schon einmal als Asylbewerberheim genutzt, teilt die Stadt mit. Und auch direkt nach Ende des Zweiten Weltkriegs wurden Flüchtlinge und Bombengeschädigte dort untergebracht.
"Bedenkliche Tradition"
Nicht untypisch für die Nachkriegsjahrzehnte. Auch in anderen KZ-Außenlagern in NRW wurden damals Flüchtlinge oder Gastarbeiter einquartiert, "Eine bedenkliche Tradition, gerade im Ruhrgebiet", sagt Geschichtsprofessor Alfons Kenkmann, Vorsitzender des Arbeitskreises der NS-Gedenkstätten und -Erinnerungsorte in NRW e.V. Allerdings habe sich die Erinnerungskultur seit den 70er-Jahren deutlich gewandelt, man sei vielerorts sensibler im Umgang mit den Orten geworden, so Kenkmann: "Das hat einen Beigeschmack, da das ein historisch kontaminierter Ort ist."
Innenministerium verweist auf die Kommune
Im November hatte Innenminister Ralf Jäger (SPD) vor dem Landtag einen Paradigmenwechsel bei der Flüchtlingsunterbringung angekündigt: "Wir nehmen jetzt und in Zukunft die Situation aus dem Blickwinkel der Flüchtlinge wahr", sagte er damals. Wie Flüchtlinge nun die SS-Baracken sehen? Das Innenministerium verwies am Freitag auf die Zuständigkeit der Kommune. In Oberhausen hatte man zuletzt den Vorschlag, Flüchtlinge in einem ehemaligen Gefängnis unterzubringen, als pietätlos abgelehnt. In Schwerte hat sich Claudia Becker-Haggeney für die Erinnerung an die NS-Gräueltaten eingesetzt. Die Verlegung der Stolpersteine, die an die NS-Opfer erinnern, hat sie in der Stadt initiiert. Sie musste schlucken, als sie von den Plänen der Stadt erfuhr, sagt sie: "Das hat einen ganz schwierigen Beiklang." Noch schwieriger empfand sie jedoch die bisherige Unterbringung der Flüchtlinge in Schwerte: "Was ist das für eine Willkommenskultur, wenn man Flüchtlinge in eine nackte Turnhalle steckt, ohne Betten, ohne Stühle? Das empfand ich als viel schlimmer."
Dort leben die derzeit 175 Flüchtlinge in Schwerte: