Beim traditionellen Formel-1-Finale auf der Rennstrecke von Interlagos nahe Sao Paulo wird es an diesem Wochenende nur Gewinner und Verlierer geben. Der 20. Lauf zur FIA Formel-1-Weltmeisterschaft steht ganz im Fokus von Sebastian Vettel (Red Bull) und Fernando Alonso (Ferrari). Den amtierenden Weltmeister trennen gerade einmal 13 Punkte von seinem hartnäckigen Konkurrenten: 273 zu 260 Punkten.
Sebastian Vettel gibt sich vor dem entscheidenden Rennen der Saison zuversichtlich: „Ich bin begeistert, denn das Auto scheint gut genug für den Sieg zu sein. In den vergangenen Jahren waren wir in Brasilien sehr schnell. Außerdem haben wir in den USA die Führung in der WM ausgebaut. Deshalb denke ich, dass wir in der bestmöglichen Situation sind.“ Dennoch, sollte es am Rennsonntag regnen, könnte sich die Situation schon zugunsten von Kämpfer Alonso wenden. Und eine ungewisse Komponente ist der Einsatz des Safety Cars. In sechs der letzten zehn F1-Rennen in Brasilien war es mindestens einmal im Einsatz. Alonso (Ferrari) gibt sich ganz kämpferisch: „Wir haben noch die Chance, die Weltmeisterschaft zu gewinnen. Dafür haben wir das ganze Jahr gekämpft, jetzt befinden wir uns in dieser fantastischen Position. Nur Sebastian ist in einer besseren Position als wir.“ Dies ist der motorsportliche Fakt.
Ein Gewinner steht schon vor dem Rennen fest
Fakt ist aber auch, dass bereits ein Gewinner vor dem Finale feststeht. „Ich bin für das Team sehr, sehr glücklich, dass Red Bull die dritte Konstrukteurs-WM gewonnen hat“, so Vettel. „Es war bisher ein hartes Jahr, und sie haben unglaublich viel Druck gemacht. Sie verdienen es zu gewinnen, denn wir waren das beste Team. Natürlich haben auch Mark und ich das ganze Jahr über Druck gemacht. Es war schade, dass Mark in Austin nicht ins Ziel kommen konnte.“ Wenn da eben nicht der Fehlerteufel so häufig eingezogen wäre. Dies ist die größte Angst, zu oft war in diesem Jahr die Lichtmaschine defekt. Erst beim vergangenen Rennen in den USA sorgte sie für das vorzeitige Aus bei Teamkollege Mark Webber. Die Lichtmaschine, ein Nebenaggregat des Renault V8, ist in dieser Saison schon mehrmals als Fehlerquelle aufgefallen – nicht nur bei Vettel im Red Bull, sondern auch bei den anderen Renault-Kunden Lotus und Caterham. Ein möglicher Defekt an der Lichtmaschine ist die größte Zeitbombe, vor der bei Red Bull alle Angst haben. Dennoch konnte Renault mit Red Bull Racing in diesem Jahr 440 WM-Punkte sammeln, acht Pole-Position und sieben Siege feiern.
Die 4,309 Kilometer lange Strecke in Interlagos stellt Ingenieure und Fahrer immer wieder vor Herausforderungen. So ist diese brasilianische Rennstrecke eine Mischung aus zwei Hochgeschwindigkeitssektoren mit einer schnellen Kurvenkombination am Ende der langen Geraden. Dann gibt es den langsamen Teil im Innenraum der Strecke, „wo Stabilität und Balance entscheidend sind“, so ein F1-Ingenieur. Und es gibt zwei enge Kurven, aber auch Passagen, in denen gleichzeitig Längs- und Querbeschleunigung wirken, wofür man eine gute Haftung braucht. Insgesamt ist der mittlere Sektor technisch sehr anspruchsvoll, auf dem Rest der Runde ist vor allem reiner Speed gefragt.
Unsicherheitsfaktor: Wetter
Die Ingenieure wissen, dass man den richtigen Kompromiss zwischen Abtrieb und Luftwiderstand finden muss. Eine hohe aerodynamische Effizienz ist wichtig. Weil das wechselhafte Wetter in Interlagos immer wieder ein unberechenbarer Faktor ist, muss man das Abtriebsniveau des Boliden laufend anpassen. Fakt ist, dass der Kurs von Interlagos intensive Arbeit für die Ingenieure und die Fahrer bedeutet.
Die letzte intensive Arbeit als Fahrer erlebt Michael Schumacher in Brasilien bei seinem Abschied aus der Formel 1. „Interlagos ist ein runder Abschluss für meine Karriere, denn dort wurzelt viel von der Faszination der Formel 1. Ich freue mich immer über die Begeisterung der Fans dort. Es ist einfach eine tolle Strecke, die viele Geschichten mit sich bringt und immer für spektakuläre Rennen gut ist, weil sie durch ihr besonderes Layout viel Action garantiert“, sagt der Rekord-Weltmeister. „Der Abschied von der Formel 1 wird diesmal für mich wahrscheinlich weniger emotional sein als in 2006, weil wir damals noch im WM-Kampf steckten und alles dadurch viel intensiver war. Diesmal werde ich den Abschied dafür bewusster wahrnehmen und hoffentlich auch genießen können.“
Was für den einen in Abschied mündet, wird für den anderen in Zukunft harte Arbeit sein. Das Mercedes AMG F1 Team fährt nicht auf der Überholspur in der Formel 1, die Saison 2012 war eher enttäuschend als aufbauend. „Wir haben Nachholbedarf speziell im aerodynamischen Bereich und zur Erreichung der Zielsetzungen Umstellungen im technischen wie im personellen Bereich vorgenommen, um in der nächsten Saison von Anfang bis Ende konkurrenzfähig zu sein“, verspricht Norbert Haug, Mercedes-Benz Motorsportchef.