Essen.. Auf den Sondernutzungsflächen im Bus stehen zunehmend mehr Rollatoren und Kinderwagen. Die Verkehrsbetriebe im Revier rüsten nun um und wollen Fahrzeuge mit mehr Stellflächen. Denn Anfang machte Oberhausen bereits 2011, Bochum, Dortmund, Herne und Duisburg folgen in diesem Herbst.

In Bremerhaven war die Zukunft eher. Dort rollt seit längerem der „Demonstrator“ durch die Straßen, der Versuch eines Linienbusses von übermorgen: Ein- und Ausstieg leuchten als grüner und roter Lichtrahmen, Leuchtdioden über den Sitzen zeigen freie Plätze an, und auf Flachbildschirmen können die Insassen ihre aktuelle Fahrt verfolgen – was sie der altmodischen Mühe enthebt, stumpf aus dem Fenster zu schauen.

Neben dem Schnickschnack unterscheidet sich der Vorzeigebus noch in einem Punkt auffällig von gängigen Modellen: Er hat deutlich mehr Stellfläche und deutlich weniger Sitzplätze. „Wir haben die Flächen vergrößert, weil die Konflikte immer mehr wurden“, sagt Jörg Fröhlich, der Betriebsleiter der Verkehrsgesellschaft ,Bremerhaven Bus’: „Vor allem Rollatorfahrer stritten sich um den Platz.“

Reisende mit Überseekoffern

Was in Bremerhaven bereits abgeschlossen ist, die entsprechende Umrüstung aller Busse, hat im Ruhrgebiet gerade begonnen – denn das Problem ist auch hier angekommen: Auf der einen, sogenannten „Sondernutzungsfläche“ in Bus und Straßenbahn ist es zusehends eng geworden, sehr eng, weil, zynisch ausgedrückt, die Zahl der Rollstühle und Rollatoren deutlich schneller steigt, als die der Kinderwagen sinkt.

„Sie können sich vorstellen, dass Betroffene immer noch versuchen, sich hineinzustapeln“, sagt der Bogestra-Sprecher Christoph Kollmann, weiß aber auch: „In der Regel arrangieren sich die Leute.“

Je nach Faltbarkeit, Geschick und gutem Willen finden drei, vielleicht auch vier Gefährte gleichzeitig Platz in der Sondernutzungsfläche, doch das reicht häufig nicht mehr – und dann stellen sie schnell den Mittelgang zu. Und so kommt es zu ebenso anspruchsvollen wie anstrengenden Choreographien, wenn etwa ein Fahrrad und ein Rollator gleichzeitig aussteigen wollen oder zwei Kinderwagen rein. Und wenn sie auch noch im Gegenverkehr . . .? Hilfe! Verschärfend kommen dramaturgische Randfiguren hinzu wie Postboten mit ihren Postkarren, Männer mit Zehn-Kilo-Kartoffelsäcken und Fernreisende mit Überseekoffern.

 "Wenn wir in die Stadt fahren, nehmen wir nur noch den kleinen Kinderwagen"

„Manchmal ist es ehr eng. Wenn wir in die Stadt fahren, nehmen wir nur noch den kleinen Kinderwagen“, sagt Carmen Wamser aus Bochum. Und als „manchmal katas­trophal“ beschreibt die Rollatorfahrerin Katharina Kahl (89) das wachsende Platzproblem auf Rädern. Sie kennt auch „eine Dame, die mit ihrem Rollator nur noch im Gang stehen konnte und dann den Bus verlassen musste“.

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In Bottrop kam der Rollstuhlfahrer Bernhard Koppenborg nicht mehr an Bord, weil schon so viele Fahrräder im Bus waren; in Oberhausen und in Bochum erwischte es jeweils Mütter mit Kinderwagen, die als sozusagen fünftes Rad im Wagen wieder aussteigen mussten. Solche Fälle zählt natürlich niemand systematisch, aber allein drei standen in der letzten Zeit in der Zeitung. Da kann man getrost davon ausgehen, dass es mehr gibt von der Art: Wo ein Wille ist, ist doch kein Weg.

„Die letzte Entscheidung trifft der Fahrer. Er ist verantwortlich für für die Sicherheit im Bus“, sagt Anamaria Preuss von der „Duisburger Verkehrsgesellschaft“ (auch wenn der übliche Hinweis auf die Eigenverantwortung des Fahrgastes gerade in Duisburgs Bahnen hinreißend formuliert ist – soviel Platz muss an dieser Stelle sein: „Pflicht des Fahrgastes ist es, sich auf dem Wagen sofort festen Halt zu verschaffen. Etwaige Folgen der Außerachtlassung dieser Bedingung sind selbstverschuldet“).

Oberhausen liegt vorn

Nun also rüsten sie um. Oberhausens Stoag hat 2011 erste Busse mit einer zweiten Stellfläche gekauft, Bochum, Dortmund, Herne und Duisburg folgen in diesem Herbst, Essen bekommt zunächst 27 neue Niederflurbahnen „mit verdoppelter Multifunktionsfläche“, so Evag-Sprecher Olaf Frei. Mehr Platz für das rollende Gerät hat freilich seinen Preis: Je nach Hersteller, verschwinden zwei bis vier Sitzplätze pro Bus, nur zum Teil ersetzt durch Klappsitze.

Und so gilt auch hier das altbewährte Motto: Wie man’s macht, macht man’s verkehrt. „Gefühlt, haben wir deutlich weniger Konflikte nach der Ausweitung der Stellflächen“, sagt Jörg Fröhlich, der Bremerhavener: „Aber jetzt kommen erste Hinweise von Fahrgästen, die mehr Sitzplätze möchten.“