Rüsselsheim. Mit Nähmaschinen fing die Geschichte der Adam Opel AG 1862 in Rüsselsheim an. Nachdem sich seine fünf Söhne 1899 auf den Bau von Automobilen konzentrierten, beginnt der rasante Aufstieg der Marke Opel. Nur heute ist nicht mehr viel von dem einstigen Glanz zu sehen.
"Die Firmengeschichte der Adam Opel AG gleicht einem spannenden Roman, den man nicht besser erfinden könnte." Zum 150. Jubiläum wird dieser Satz aus der Opel-Firmenchronik mal wieder bestätigt: Tausende Arbeiter und Angestellte müssen in die Kurzarbeit, der Kampf ums Überleben geht in die nächste Runde.
Ein weiteres Kapitel im Opel-Roman kann beginnen, das Ende ist offen. Das erste Kapitel wurde im August 1862 aufgeblättert: Nach Jahren der Wanderschaft kehrt der Schlossergeselle Adam Opel im Alter von 25 Jahren in seine Heimatstadt Rüsselsheim zurück. In der väterlichen Schlosserwerkstatt beginnt er mit dem Bau von Nähmaschinen.
Die Zukunft des Automobils
Das Geschäft läuft gut, nach einem Jahr stellt Opel die ersten Arbeiter ein, 1868 baut er eine Fabrik. 1886 erweitert Opel das Geschäft um Fahrräder, das erste "Velociped" rollt aus der Fabrik. Die fünf Söhne von Opel sind begeisterte Radrennfahrer und Mitte der 20er Jahre wird Opel größter Zweiradproduzent der Welt, ehe Jahre später die Produktion eingestellt wird.
1895 stirbt Adam Opel. Seine Söhne erkennen, dass die Zukunft dem Automobil gehört. Als sich die wirtschaftliche Lage im Nähmaschinen- und Fahrrad-Geschäft verschlechtert, kaufen sie 1899 die Anhaltische Motorwagenfabrik von Friedrich Lutzmann und verlegen die Produktion nach Rüsselsheim.
Die erste Opel-Eigenproduktion
Das erste Auto, auf den Namen "Opel Patent Motorwagen System Lutzmann" getauft, ist noch stark vom Kutschenbau beeinflusst. Der im Heck liegende 1,5-Liter-Einzylindermotor leistet 3,5 PS und beschleunigt das Gefährt auf gut 20 Stundenkilometer. 65 Exemplare entstehen.
1902 folgt die erste Opel-Eigenkonstruktion, die schon wie ein Auto aussieht, 1906 wird das 1.000 Fahrzeug abgeliefert. 1907 wird Opel Hoflieferant des Kaisers, nachdem ein Werksfahrer bei einem Rennen im Taunus den "Kaiserpreis" für den besten deutschen Wagen errang.
Das Fundament von Opel zeigt erste Risse
1908 folgt der berühmte "Doktorwagen", der für seine Zuverlässigkeit bekannt war und gerne von Ärzten für Hausbesuche genutzt wurde. 1911 gibt Opel die Nähmaschinenproduktion auf, 1912 wird das 10.000 Fahrzeug abgeliefert.
Nachdem ein Feuer 1911 die Werkhallen vernichtet, steigt Opel in das Geschäft mit Feuerwehrautos ein. 1914 der nächste Erfolg: Das Modell mit dem Beinamen Puppchen trägt zur Massenmotorisierung bei. Als erster deutscher Hersteller führte Opel 1923 die Serienfertigung am Fließband ein.
Hoher Marktanteil
Die Marke macht sich als Hersteller von preisgünstigen und robusten Gebrauchsfahrzeugen wie dem "Laubfrosch" einen Namen. Spektakuläre Experimente mit Raketenautos durch Fritz von Opel trugen zum Image eines modernen Unternehmens bei.
Der Marktanteil in Deutschland lag damals bei heute kaum vorstellbaren 26 Prozent, der spätere große Konkurrent Volkswagen war noch nicht einmal gegründet.
Verlagerung nach Deutschland
Doch das Fundament von Opel zeigte erste Risse. Für die Einführung der Massenproduktion waren enorme Investitionen notwendig. Wilhelm von Opel, damals der Kopf des Unternehmens, erkannte, dass ein Familienunternehmen mit den horrenden Investitions- und Entwicklungskosten in der Autoindustrie auf Dauer überfordert sein würde. Schon 1926 hatte von Opel bei General Motors vorgefühlt, ob der US-Konzern an einer Beteiligung interessiert sei. Zwei Jahre später nahmen die Firmen den Gesprächsfaden wieder auf. Inzwischen war Opel für GM ein interessanter Übernahmekandidat geworden.
Die steigenden Zollbarrieren, mit denen die Reichsregierung die deutschen Autohersteller schützen wollte, zwangen GM, über Alternativen zum Import fertiger Fahrzeuge nachzudenken. Es war die Idee von Konzernchef Alfred Sloan, die Produktion für den europäischen Markt nach Deutschland zu verlagern und dazu ein etabliertes Unternehmen zu kaufen.
Opel verschläft diverse Entwicklungen
Am 17. März 1929 übernahm der Konzern für 33 Millionen Dollar die Aktienmehrheit an Opel, nach damaligen Maßstäben ein Mega-Deal. Verzinst hat sich das Investment lange nicht: Erst verhinderte die Weltwirtschaftskrise, dann die NS-Diktatur eine erfolgreiche transatlantische Zusammenarbeit.
Erst nach dem Zweiten Weltkrieg wurde Opel für General Motors rentabel. 1954 baute Opel erstmals pro Jahr mehr als 150.000 Fahrzeuge, heute sind es rund eine Million.
Die Marke ist im Bewusstsein der Deutschen tief verwurzelt. Opel ist für viele ein Stück Wirtschaftswunder und gelebter Wohlstand: Legendäre Modelle wie Admiral oder Kapitän waren ebenso angesehen wie Mercedes-Autos, wer es sich leisten konnte, stieg auf vom VW-Käfer zum Opel Kadett.
Beschränkung auf europäischen Markt
Doch ab den 80er Jahren kippte die Entwicklung: Opel verschlief den Wechsel zum Frontantrieb: Der Herausforderer VW Golf war einfach praktischer als der Rivale Kadett, der noch mit Heckantrieb fuhr. Auch den von VW gestarteten Dieseltrend verschlief Opel. In den 90ern prügelte sich Opel mit VW um seinen ehemaligen Manager José López, der nach Wolfsburg gewechselt war und angeblich Industriespionage begangen hatte. Doch in den López-Jahren hatten bei Opel Qualitätsprobleme begonnen, die das einst lupenreine Image der Marke beschädigten.
Und die Mutter GM nutzte das Können der Opel-Ingenieure dann für eigene Projekte in Übersee, wie in Brasilien. Aber nicht für Opel-Autos. Außerdem verhinderte GM den weltweiten Export von Opel, das zusammen mit den britischen GM-Tochter Vauxhall auf Europa beschränkt bleiben sollte.
Unternehmen hängt am Tropf
Während Volkswagen zu einem mächtigen Global Player heranwuchs, wurde Opel von General Motors nur unzulänglich gefördert. Wichtige Märkte wie China sind Opel bis heute versperrt, weil GM hier auf andere Konzernmarken baut.
Als 2008 die große Autokrise ausbrach, explodierten die Probleme bei Opel: Das Unternehmen hing am Tropf der US-Mutter, die dann aber selbst in die Insolvenz ging. GM wollte Opel verkaufen und wurde sich 2009 handelseinig mit dem Zulieferkonzern Magna. Doch dann besann sich GM und sagte den Deal ab.
Die Suche nach einem neuen Chef
"Das ist ein klares Bekenntnis zum europäischen Geschäft, das für GM von entscheidender Bedeutung ist", sagte der damalige Konzernchef Ed Whitacre im März 2010. Whitacre schickte den hemdsärmeligen Nick Reilly als Sanierer zu Opel: 2011 wurden 8.000 Jobs gestrichen, das Werk in Antwerpen geschossen, die Fabrik in Bochum geschrumpft.
Eigentlich hätte Opel nun durchstarten müssen: Die Modelle waren neu und schnitten in Tests gut ab. Aber der Zeitpunkt war falsch. Die Euro-Schuldenkrise zeigte sich in Südeuropa. Der Absatz dort brach ein. Während VW den Nachfragerückgang mit seiner weltweiten Aufstellung auffing, blieb Opel in Europa gefangen. Reilly musste gehen und wurde durch den glücklosen Karl Friedrich Stracke ersetzt.
Opel BochumEinbruch um 15 Prozent
Aber die Krise wurde immer schlimmer: Opel und die Schwestermarke Vauxhall schreiben wegen schwacher Nachfrage seit Jahren tiefrote Zahlen. GM musste für sie im ersten Halbjahr einen Verlust von 500 Millionen Euro verbuchen. Der Absatz brach um 15 Prozent ein, auch ein ultramodernes Auto wie der halbelektrische Ampera machte die Lage nicht besser.
Auch Stracke musste gehen, ein neuer Chef wird gesucht, die Fabrik in Bochum wackelt. Die Zukunft von Opel ist ungewisser den je. (dapd)