Washington. Während der Absatzmarkt für Neuwagen in großen Teilen von Europa schrumpft, boomt der Autoverkauf in den USA überraschend stark. Davon profitieren deutsche Hersteller. Volkswagen, Porsche und Daimler verkaufen in Übersee deutlich mehr Pkw als im Vorjahr.

Mit horrenden Wachstumsraten erweist sich der US-Automarkt zunehmend als Stütze für die deutschen Pkw-Hersteller. Während in den meisten westeuropäischen Ländern wegen der Schuldenkrise und der hohen Arbeitslosigkeit kaum noch neue Autos verkauft werden, stieg der Pkw-Absatz im Juni in den USA überraschend stark um 22 Prozent. Niedrige Zinsen, sinkende Benzinpreise und das hohe Durchschnittsalter ihrer Autos von mehr als zehn Jahren trieben die Amerikaner in die Verkaufshäuser. Neben den großen US-Autobauern GM und Ford sowie der von Fiat gelenkten US-Marke Chrysler verkauften auch die deutschen Hersteller Volkswagen, Porsche und Daimler deutlich mehr Pkws als vor Jahresfrist. Am deutlichsten fiel das Plus jedoch für den japanischen Hersteller Toyota nach besonders schwachen Vorjahreszahlen aus.

US-Automarkt auf dem Weg zu bestem Absatz seit 2007

Von den Rekorden der Zeit vor der Krise 2009, in der die Opel-Mutter GM und Chrysler mit Hilfe des US-Staates vor dem Aus gerettet werden mussten, ist der US-Markt zwar noch weit entfernt. Doch mit geschätzten 14,1 Millionen verkauften Fahrzeugen in diesem Jahr könnte das beste Ergebnis seit 2007 erreicht werden. Zwischen 1998 und 2007 wurden in den USA im Schnitt jährlich rund 16,7 Millionen Fahrzeuge losgeschlagen.

Edmunds.com-Analystin Michelle Krebs erklärt die Entwicklung mit Nachholbedarf: Niedrige Zinsen, Null-Zins-Angebote und Preisoffensiven der Hersteller lockten die Käufer in die Autohäuser. Nach der Ansicht von Autohändler Bill Fox hängt der Verkaufsanstieg in seiner Region New York vorrangig mit dem Alter der Autos auf den Straßen zusammen. "Während der Rezession in den Jahren 2008, 2009 und 2010 haben sich die Leute zurückgehalten", sagte Fox, der die Chrysler, Toyota, Honda und Subaru verkauft. "Die Konsumenten sind nervös wegen der Wirtschaft und ihrer Jobs, aber sie brauchen nach wie vor ein neues Auto, wenn ihr altes 150.000 Meilen auf dem Tacho hat."

Deutsche Autos bleiben gefragt

Vom Absatzplus am US-Mark im Juni profitierten erneut auch die deutschen Hersteller, die nach Absatzproblemen in Südeuropa, die zu Überkapazitäten führten, nun auch auf dem Heimatmarkt Schwierigkeiten bekommen. Experten sehen den Automarkt in Deutschland auf der Kippe. Die Zahl der Neuzulassungen ging im Mai zurück, so dass seit Jahresbeginn nur ein kleines Plus von einem Prozent übrig blieb. Im Juni verzeichnete der Daimler-Konzern mit seiner Kernmarke Mercedes-Benz in Deutschland ein Absatzminus bei Pkws von 4,6 Prozent, in Westeuropa sogar von 6,3 Prozent.

Der US-Markt wächst hingegen seit Monaten deutlich. Der Verband der Automobilindustrie rechnet 2012 mit einem Wachstum von zehn Prozent. Für den weltgrößten Markt China, jahrelang der Wachstumstreiber, prognostiziert der Verband einen Zuwachs von acht Prozent.

Passat auf "US-Geschmack" abgestimmt

In den USA fuhr Volkswagen mit einem Absatzplus von 34 Prozent im Juni den größten Zuwachs der deutschen Hersteller ein. Europas Branchenprimus profitiert von dem Erfolg des speziell auf den US-Geschmack abgestimmten Mittelklassewagen Passat. Auch der kompakte Jetta, der aus Mexiko in die USA importiert wird, verkauft sich gut. Tochter Audi steigerte den Absatz um 26 Prozent auf 12.700 Autos. Der mit VW verbundene Sportwagenbauer Porsche schaffte ein Verkaufsplus von 18 Prozent auf rund 3000 Fahrzeuge. Daimler brachte von seiner Kernmarke Mercedes-Benz 25.388 Autos an den Mann, ein Plus von 12,5 Prozent. Mit einem Absatzplus von lediglich 3,2 Prozent blieb der Münchener Rivale BMW Schlusslicht beim Wachstum.

Über den besten Monat seit September 2008 freute sich der größte US-Hersteller GM. Die Opel-Mutter verkaufte im Juni 248.800 Wagen der Marken Buick, Cadillac, Chevrolet und GMC - das sind 16 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum. Der zweitgrößte US-Hersteller Ford brachte gut 208.000 Wagen an die Kunden - das ist ein vergleichsweise bescheidenes Plus von sieben Prozent. Für den gebeutelten Autobauer Fiat ist die Tochter Chrysler eine wichtiger Ausgleich. Chrysler erhöhte den Absatz im Juni um 20 Prozent auf rund 145.000 Autos und damit leicht stärker als von Analysten erwartet. Am stärksten legte aber Toyota zu - mit 60 Prozent auf knapp 188.000 Autos. Jedoch war der Vorjahresabsatz infolge der schweren Erdbebenkatastrophe in Japan sehr niedrig. (rtr)