Stuttgart. Der Auto Clup Europa (ACE) und das Christian-Doppler-Institut der Universität Salzburg sind in einem wissenschaftlichen Test der Frage nach der Bedienbarkeit von Multimediasystemen für Autos nachgegangen. Die Auswertung ist erschreckend. Bei allen getesteten Systemen blickten die Autofahrer zu lange aufs Display. Der ACE fordert, dass eine Eingabe bei Navigationssystemen nur noch im Stand möglich ist.

Moderne Multimediasysteme sind längst in der Kompaktklasse angekommen. Mit ihnen lässt sich navigieren, telefonieren und die Musik organisieren. Doch wie sehr lenkt die Bedienung dieser Systeme während der Fahrt ab? Der Auto Club Europa (ACE) und das Christian-Doppler-Institut der Universität Salzburg sind dieser Frage in einem wissenschaftlichen Test nachgegangen - mit teilweise erschreckenden Ergebnissen.

Für die Experten war vor allem entscheidend, wie lange der Blick durch das Befassen mit dem Multimediasystem während der Fahrt von der Straße abgewendet wird. US-amerikanische Studien zum sogenannten Human-Machine-Interface (kurz HMI, "Schnittstelle Mensch-Maschine") haben ergeben, dass einzelne Blicke nicht länger als zwei, die sämtlichen Blicke addiert nicht länger als 20 Sekunden dauern sollten. Alle drei getesteten Systeme haben diese wissenschaftlichen Grenzwerte den Angaben zufolge teilweise deutlich überschritten. Der ACE fordert daher von den Auto-Herstellen, ihre Bediensysteme künftig so zu programmieren, dass die Eingabe eines Navigationsziels nur noch im Stand möglich ist.

Über zwei Minuten für ein Navi-Ziel

Von einem Wissenschaftler auf dem Rücksitz und vier Kameras überwacht, mussten 36 Probanden vier alltägliche Aufgaben erledigen: einen bestimmten Radiosender auswählen, einen vorgegebenen Gesprächspartner aus dem Telefonbuch anrufen, die Balance der Lautsprecher verstellen sowie ein Ziel ins Navigationssystem eingeben.

Was einfach klingt, bedeutete für die Versuchspiloten während der Fahrt auf einer abgesperrten Teststrecke zum Teil größere Schwierigkeiten. Die einzige Aufgabe, die die Fahrer unter der wissenschaftlich festgelegten Grenze von 20 Sekunden lösen konnten, war das Verstellen der Lautsprecher-Balance.

Bei den restlichen Aufgaben lagen sie teilweise erschreckend über diesem Wert. Bis die Navigationssysteme programmiert waren, vergingen im Golf 88 Sekunden. Sowohl der Astra (119 Sekunden) als auch der Focus (131 Sekunden) lagen noch deutlich darüber. Dabei schauten die Fahrer im Ford durchschnittlich 78 Sekunden auf das Display. Zum Vergleich ließ der ACE auch eines der beliebten tragbaren Navis außer Konkurrenz im HMI-Test mitlaufen. Mit 76 Sekunden schlägt das Navi an der Frontscheibe sogar den Golf, fast alle Probanden fanden die Bedienung aber umständlich und unkomfortabel.

Etwas besser sah es bei den Telefonanrufen aus. Hier konnten sich der Astra mit 22 Sekunden und der Focus (29 Sekunden) vom Touchscreen-System des Golfs absetzen. Im Klassenprimus aus Wolfsburg stoppten die Wissenschaftler im Schnitt nach 47 Sekunden die Uhr. Bei dem Radiosender gab es mit Werten zwischen 25 und 29 Sekunden keine großen Unterschiede.

Unterschiedliche Konzepte

Das Interessante an dem Test: Mit Golf, Astra und Focus sind nicht nur die meistverkauften Modelle dieser Klasse vertreten, alle drei Fahrzeuge setzen auch auf unterschiedliche Bedienkonzepte. Der Wolfsburger hat als einziger Testkandidat mit seinem "RNS 510" (2.225 bis 2.715 Euro) einen Touchscreen, der von acht Tasten ergänzt wird. Das Ford "Sony Navigationssystem" (640 Euro, nur für Titanium-Ausstattung) muss mit dem kleinsten Display im Test auskommen. Dafür gibt es viele Funktionstasten. Das "Navi 900" im Astra (1.150 bis 2.030 Euro) setzt als einziges auf einen an die Oberklasse angelehnten Dreh-Drück-Controller.

Das aufgeräumte Design des Golf mit nur acht Tasten kam bei den Probanden gut an. In einer subjektiven Bewertung gaben sie dem Wolfsburger 14 von 20 möglichen Punkten. Diesen Eindruck der Fahrer konnten die Wissenschaftler mit den gemessenen Zeiten aber nicht belegen. Hier hat der Astra die Nase vorne, der diesen Test auch vor Golf und Focus gewann.

Oberklasse nicht unbedingt besser

Bereits im vergangenen Jahr nahmen die Prüfer des ACE und die Salzburger Wissenschaftler bei ihrem ersten gemeinsamen HMI-Test die High-End-Systeme in Oberklassefahrzeugen von Mercedes, Audi und BMW unter die Lupe. Dabei waren die konzeptionellen Unterschiede der Bedienung nicht so groß, alle drei Hersteller setzen auf einen zentralen Dreh-Drück-Steller.

Wie der Test im Vergleich zu der aktuellen Untersuchung belegt, heißt teurer nicht automatisch besser. Mit den Systemen iDrive, Comand und MMI, die zu einem Preis von 3.000 Euro aufwärts zu haben sind, benötigten die Probanden im Schnitt 47 Sekunden, um den vorgegebenen Gesprächspartner anzurufen. Die Kompaktwagen können das besser. (dapd)