In Deutschlands Städten boomt das Carsharing. Laut dem Bundesverband Carsharing in Berlin bedienen sich derzeit mehr als 190.000 Menschen und damit 20,3 Prozent mehr als vor einem Jahr der mittlerweile 5.000 zur Verfügung stehenden Carsharing-Mobile.

Berlin (dapd). In Deutschlands Städten boomt das Carsharing. Laut dem Bundesverband Carsharing in Berlin bedienen sich derzeit mehr als 190.000 Menschen und damit 20,3 Prozent mehr als vor einem Jahr der mittlerweile 5.000 zur Verfügung stehenden Carsharing-Mobile.

Die steigende Nachfrage machen sich auch die Automobilhersteller zunutze, nicht nur hierzulande. Mit ähnlichen Konzepten wie die Carsharing-Unternehmen bieten sie Fahrzeuge zur kurzfristigen Miete an verschiedenen Stellen in Ballungsgebieten an - natürlich mit Modellen aus eigener Produktion. Einer der ersten war Daimler mit dem Projekt Car2Go. Bereits seit Oktober 2008 können in Ulm 50 Smart Fortwo ohne Reservierung und festgelegten Rückgabezeitpunkt gemietet und an einem selbst gewählten Ort im Stadtgebiet abgestellt werden. Inzwischen kurven die blau-weißen Smart im kanadischen Vancouver ebenso umher wie im texanischen Austin. BMW ist seit Juni 2011 mit Drive Now in München im Geschäft und seit Dezember ebenso in Berlin. Volkswagen startete Anfang November 2011 in Hannover sein Carsharing-Projekt Quicar, bei dem 200 Golf Blue Motion an 50 Stationen gemietet werden können.

Bei all diesen Carsharing-Projekten wird eine einmalige Anmeldegebühr zwischen 19 und 29 Euro fällig sowie ein Stundenpreis. Der variiert je nach Anbieter zwischen 12,00 und 17,40 Euro. Die einzelne Fahrt erscheint somit als recht teuer, doch man sollte sich da nicht selbst beschummeln. Allein die Betriebskosten eines eigenen Autos liegen oft höher. Laut der Betriebskostenliste des ADAC schlägt ein Smart Fortwo mit dem 1,0-Liter-Benzinmotor pro Kilometer mit 29 Cent zu Buche, ein VW Golf 1.4 TSI mit 40 Cent und ein BMW 118d mit 49 Cent. Dabei umfassen die Betriebskosten nur die Ausgaben für den Kraftstoff, die Versicherung, die Kfz-Steuer und die Wartung. Die Anschaffungskosten sind darin nicht enthalten. Da kann sich die bedarfsweise Nutzung schon rechnen.

Zudem gewinnen praktische Aspekte der Mobilität in der urbanen Gesellschaft an Bedeutung, wie die in Mannheim ansässige Gesellschaft für internationale Marktforschung und Beratung Sigma analysiert. "Gerade junge Menschen in Städten nehmen aufgrund von Parkplatznot und den Kosten für Parkraum Abstand von einem eigenen Pkw", sagt Jörg Ueltzhöffer, geschäftsführender Gesellschafter der Sigma. Keine Frage: Solcher Verzicht beflügelt die Carsharing-Nachfrage. Für junge Städter besitzt der eigene Wagen nicht mehr einen solch hohen Stellenwert, wie es noch vor einigen Jahren der Fall war. Bei einer repräsentativen Umfrage unter volljährigen Bundesbürgern, durchgeführt von der Unternehmensberatung Progenium, gaben nur noch 17 Prozent der Befragten an, das Auto als ein Statussymbol zu sehen. In den USA fand im letzten November das Beratungsunternehmen Gartner heraus, dass für 46 Prozent der Erwachsenen im Alter zwischen 18 und 24 Jahren das Internet einen höheren Stellenwert genießt als das eigene Auto: "Das iPhone ist der Ford Mustang von heute", kommentierte Gartner-Analyst Thilo Koslowski die Umfrageergebnisse.

Dieses Werteempfinden schlägt sich auch in der Zahl der Führerscheinneulinge nieder: Laut Kraftfahrt-Bundesamtes legten im Jahr 2006 knapp 1,37 Millionen Menschen die Prüfung für Klasse B ab - 2010 eben mal die Hälfte. Das zeigt den Trend, selbst wenn man einkalkuliert, dass die Geburtenzahlen gesunken sind. "Die junge urbane Bevölkerung nutzt schon jetzt lieber Busse und Bahnen und liebäugelt mit Carsharing", bilanziert Sigma-Chef Ueltzhöffer. Sie verstünden das Auto und die öffentlichen Verkehrsmittel nicht als ein Entweder-Oder, sondern als sich ergänzende Mobilitätsmittel. Deshalb gehöre die Zukunft einer Mischung beider Verkehrsmöglichkeiten, dem sogenannten Smart-Mobility-Mix.

In ländlichen Regionen Frankreichs hat sich beispielsweise ein System etabliert, bei dem mit einer Spezialfahrkarte vom Zug auf einen Leihwagen umgestiegen werden kann. An Bahnhöfen finden sich Automietstationen. Die Nutzung wird über die Spezialfahrkarte abgerechnet. Zu dieser Mischung kommt inzwischen ein drittes Vehikel dazu: das Fahrrad. In Städten wie Paris stehen an den Metrostationen zahlreiche Leihfahrräder zur Verfügung. Neuerdings können in der französischen Hauptstadt auch Elektrofahrzeuge gemietet werden.

Ein ähnliches Konzept verfolgt hierzulande die Deutsche Bahn mit dem Fahrradverleih Callbike und seinem Carsharing-Unternehmen Flinkster. Nach eigenen Angaben soll es in über 140 Städten in Deutschland Stationen geben, an denen rund um die Uhr Autos gemietet werden können. Ähnliche Systeme bieten Unternehmen wie Stadtmobil Berlin, Stattauto München oder Greenwheels an.

Ein in der Stadt lebender Single zahlte laut Berechnungen des ADAC im Jahr 2000 im Schnitt 3.340 Euro pro Jahr für das Autofahren. 2005 waren es bereits 3.900 Euro. 2010 kamen durchschnittlich stolze 4.380 Euro zusammen. Entwickeln sich die Kosten für ein eigenes Auto weiter wie in den letzten Jahren, dürften die neue Mobilität verstärkt nachgefragt werden.

dapd