Frankfurt/Main. Seit Jahren sind für GPS-fähige Pocket-Computer und Handys Programme zu haben, die vor Radarfallen warnen. Mehr und mehr werden auch die klassischen Navigationsgeräte ab Werk mit dieser Funktion ausgestattet. Eine unklare Rechtslage verunsichert jedoch die Autofahrer.
Darf ein Navigationsgerät vor Radarfallen warnen? Geräte mit entsprechender Software seien nicht verboten, ist die Ansicht des Verkehrsrechtsexperten des Automobilclubs von Deutschland (AvD) in Frankfurt am Main, Herbert Engelmohr. Polizisten, Juristen und Richter haben dies bislang allerdings teils anders gesehen. Zumindest in der Theorie. In der täglichen Praxis wächst das Angebot an Navigationsgeräten, die - zumeist versteckt im Untermenü «Point of Interest» (POI) - mit einer Ankündigungsfunktion ausgestattet sind. Zudem finden sich entsprechende Nachrüstprogramme im Web.
Wo und wie auch immer, polizeiliche Kontrollen sind dem ADAC zumindest noch nicht bekannt. Wie sollte man sich eine solche auch vorstellen? «Jedes Navi ist anders und da müsste ein Polizeibeamter dann lange suchen, bis er das entsprechende Untermenü finden würde», mutmaßt ADAC-Jurist Michael Niessen. Dem scheint so zu sein, denn «in der Praxis hat sich nach unserem Wissen noch kein Gericht mit dem Problem beschäftigt», resümiert Niessen.
Straßenverkehrsordnung ist nicht eindeutig
Streitpunkt ist Absatz 1b des Paragraphen 23 der Straßenverkehrs-Ordnung, in dem es heißt: «Dem Führer eines Kraftfahrzeuges ist es untersagt, ein technisches Gerät zu betreiben oder betriebsbereit mitzuführen, das dafür bestimmt ist, Verkehrsüberwachungsmaßnahmen anzuzeigen oder zu stören. Das gilt insbesondere für Geräte zur Störung oder Anzeige von Geschwindigkeitsmessungen (Radarwarn- oder Laserstörgeräte).»
«Zahlreiche Juristen schließen daraus, dass damit auch Navigationsgeräte gemeint sind, die mit ihrer Software die fest installierten Starenkästen anzeigen», erklärt AvD-Experte Herbert Engelmohr das Problem. Allerdings spreche schon die Formulierung «das dafür bestimmt ist» ganz klar gegen diese Auslegung. «Schließlich sind diese Geräte dazu gedacht, eine gute Zielführung zu garantieren», argumentiert der Jurist. Selbst Gegner der Warnsoftware räumen ein, dass der Paragraph 23 nicht ganz eindeutig ist.
Verkehrsrechtler: „Warnung führt zu sicherer Fahrweise“
AvD-Verkehrsrechtler Engelmohr hat nichts gegen akustische und optische Warnungen, wenn man sich einem Starenkasten nähert: «Diese Geräte stehen doch an Unfallschwerpunkten, an denen langsames und aufmerksames Fahren besonders gefordert ist. Warum sollte mich das Navi dann nicht auch auf diesen Ort hinweisen und mich an einen sicheren Fahrstil erinnern?» Außerdem warne die Software vor sämtlichen stationären Radaranlagen und Rotlichtblitzern, unabhängig davon, ob sie zu diesem Zeitpunkt aktiviert seien oder nicht. «So gesehen führt die Warnung zu einer sichereren Fahrweise», die Sorge, dass ein Autofahrer durch sein Navigationsgerät zum Rasen animiert würde, teilt Engelmohr nicht: «Schließlich werden mobile Radaranlagen von der Software nicht angezeigt.»
Darf ein Navi von der Polizei beschlagnahmt werden? Zwar geisterte dieses Schreckensszenario bereits durch die Schlagzeilen, doch sieht der AvD-Experte dieses Mittel als unverhältnismäßig an. Bei fest installierten Geräten müsste sonst sogar das ganze Auto aus dem Verkehr gezogen werden. «Die Polizei darf nur bei einem begründeten Verdacht das Navigationsgerät und die verwendete Software untersuchen, dafür reicht es nicht aus, dass ein Autofahrer ein Navi besitzt und zur Routenführung einsetzt», sagt Herbert Engelmohr und weist auf das nächste Problem hin: «In der Praxis ist es fast unmöglich, einen Verkehrsteilnehmer deswegen zu verwarnen. Sollte trotzdem ein Gerät durch die Ordnungshüter einkassiert werden, kann man hinterher auf juristischem Weg die Sache klären lassen. Ich bin überzeugt, dass das Navi dann auch schnell seinem Besitzer zurückgegeben werden muss.»
Schweizerische Polizei macht verstärkt Jagd
Vorsicht mit Navis und ihren warnenden Funktionen ist jedoch jenseits der deutschen Grenzen geboten. Auf Navigationsgeräte, die vor mobilen oder fest installierten Geschwindigkeitsmessstellen oder Blitzampeln warnen, macht insbesondere die schweizerische Polizei verstärkt Jagd. «Mitglieder berichten uns immer wieder von gezielten Kontrollen im grenznahen Bereich», schildert ADAC-Jurist Michael Niessen die Erfahrungen des Autoclubs.
Wer erwischt wird, zahlt. Dabei spielt es keine Rolle, ob das Gerät in Betrieb ist oder nicht. Polizei und Zollbehörden stellen solche Geräte sicher, erstatten gegen den Besitzer Anzeige. Niessen berichtet: «Der muss mit einer hohen Geld- oder sogar mit einer Freiheitsstrafe rechnen.» Feste Regelsätze gebe es nicht, die Geldbuße orientiere sich am Einkommen. Zudem würden die Geräte eingezogen und vernichtet. Auch Gerätekombinationen wie Handys und Notebooks, die solche Warnfunktionen enthalten, sind in der Alpenrepublik unzulässig und somit illegal.
ADAC-Jurist Niessen empfiehlt den Autofahrern vor einer Reise in die Schweiz, Navis oder vergleichbare Geräte so einzustellen, dass sie nicht über die illegalen Warnfunktionen verfügen können. Ist dies nicht möglich, darf ein solches Gerät nicht mitgenommen werden. Ähnlich rigoros verfahren Ordnungshüter in Tschechien und Norwegen. In den Nachbarländern Frankreich, Belgien und den Niederlanden werde bislang keine Navi-Fahndung betrieben, sagt Niessen. (ddp)
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