Stuttgart.. Beim Modellwechsel sollen die Autos von Daimler künftig “gut 100 Kilogramm abspecken“, so Forschungschef Weber. Die Magerkur wirke sich positiv auf die C02-Bilanz und den Spritverbrauch aus. Das verlangen auch die EU-Klimaschutzvorschriften

Daimler speckt ab: Um seine Fahrzeuge leichter zu machen und damit die EU-Klimaschutzvorschriften zu erreichen, drückt der Autobauer aufs Tempo, wie Forschungschef Thomas Weber ankündigte. "Für die Entwicklung und die Fertigung leichterer Werkstoffe investieren wir allein mehrere hundert Millionen Euro", sagte Weber. Bei jedem Modellwechsel sollen die Fahrzeuge künftig "gut 100 Kilogramm abspecken".

Dazu sollen leichte, aber stabile Werkstoffe aus Kohlefasern beitragen, die Daimler derzeit aber aus Kostengründen noch nicht im großen Stil einsetzen will: Die Karbon-Werkstoffe schlagen derzeit mit 50 bis 100 Euro pro Kilogramm zu Buche - zehnmal mehr als Stahl. "Unser Ziel sind 20 Euro, dann wird Karbon hoffähig in der Großserie", stellte Weber in Aussicht. "Das sollte in etwa 2015 Realität sein." Unter den drei deutschen Oberklasse-Autobauern haben die Pkw der Schwaben im Schnitt den höchsten Spritverbrauch, die Fahrzeuge von BMW und Audi stoßen folglich auch weniger CO2 aus. Daimler gehe das Thema Leichtbau umfassend an, sagte Forschungschef Weber. Sowohl im Rohbau als auch bei Aggregaten und Komponenten werde an leichteren, aber bezahlbaren Alternativen zu Stahl getüftelt.

Magerkur wirkte sich gut auf CO2-Bilanz aus

"Den Trend, dass die Fahrzeuge mit jeder neuen Modellgeneration immer schwerer werden, haben wir bereits gebrochen. Jetzt geht es darum, dass die Fahrzeuge leichter werden", sagte Weber. Vor 50 Jahren wog eine mit der heutigen S-Klasse vergleichbare Limousine von Mercedes-Benz noch 1100 Kilogramm, mittlerweile sind es gut 1900 Kilogramm. Eine Magerkur würde sich mit Blick auf die CO2-Bilanz auszahlen: Denn 100 Kilogramm weniger Gewicht entsprechen acht Gramm weniger CO2 oder rund 0,3 Liter weniger Treibstoff, rechnete Weber vor. 2010 stieß die Daimler-Pkw-Neuwagen-Flotte im Schnitt noch 158 Gramm CO2 pro Kilometer aus. Ende 2015 sind jedoch maximal 120 Gramm des Treibhaus-Gases erlaubt, das bei der Verbrennung fossiler Treibstoffe in die Atmosphäre entweicht. Für jedes Gramm mehr drohen Strafen.

Weg ist mühsam und teuer

Doch der Weg dahin ist mühsam und vor allem teuer: Für 2011 und 2012 hat Daimler zehn Milliarden Euro für Forschung und Entwicklung veranschlagt, die Hälfte fließt in verbrauchsärmere Antriebe. Auch danach wird es keine Verschnaufpause geben. "Mit steigendem Umsatz wird auch der Aufwand für Forschung und Entwicklung wachsen", sagte Weber, der mit seinen Ingenieuren den CO2-Ausstoß der Mercedes-Pkw-Flotte bis zum Jahr 2020 noch weiter auf 95 Gramm je Kilometer drücken muss. Dazu sollen dann auch verstärkt elektrische Antriebe beitragen. "Leichtbau ist elementar", sagte der Daimler-Forschungschef. Weniger Gewicht bedeute weniger Verbrauch an herkömmlichen Treibstoffen, verbessere die Fahrdynamik der Fahrzeuge und erhöhe letztlich auch die Reichweite von Elektro-Autos, deren Batteriekapazitäten derzeit noch sehr beschränkt sind. Entscheidend sei, "das richtige Material am richtigen Ort" einzusetzen, daher werde das Auto der Zukunft aus einem Mix verschiedener Materialien bestehen: aus weichen bis hochfesten Stählen, Aluminium, faserverstärkten Kunststoffen sowie hybriden Werkstoffen aus Metall und Kunststoff.

Zeit für Kohlefaser ist noch nicht reif

Für Kohlefaser ist die Zeit derzeit noch nicht reif. Auch Daimlers Erzrivale BMW traut sich trotz jahrelanger Entwicklungsarbeit mit Partner SGL frühestens 2013 zu, die ersten Fahrzeuge mit einer Karosse aus Karbon-Teilen ausliefern. Daimler kooperiert mit dem japanischen Karbon-Produzenten Toray, um den bereits in der Flugzeugindustrie genutzten, aber schwer zu verarbeitenden Faser-Werkstoffen in der Autobranche auf breiter Front zum Durchbruch zu verhelfen. Bisher kommen Karbonfaser-Werkstoffe bei Daimler wegen der hohen Preise nur in Supersportwagen und Formel-Eins-Rennautos zum Einsatz. Auch bei Audi findet Karbon bisher nur in hochgezüchteten Sportwagen mit entsprechend geringen Verkaufszahlen Verwendung. (rtr)