Berlin. . Autofahrer zahlen schon heute für die verpatzte Einführung des Bio-Sprits E10. Die zu erwarteten Strafzahlungen in Höhe von bis zu 456 Millionen Euro haben die Mineralölkonzerne bereits eingepreist.
Noch immer verweigern die meisten Autofahrer den Biokraftstoff E10. Nach Angaben des Mineralölwirtschaftsverbands (MWV) beträgt der Marktanteil der im Februar eingeführten Sorte bundesweit höchstens 15 Prozent. Bei den Tankstellen, die das mit zehn Prozent Ethanol gemischte Benzin verkaufen, erreicht der Anteil bis zu 30 Prozent. „Über drei Millionen Fahrzeuge sind mit E10 unterwegs“, sagt MWV-Sprecherin Karin Retzlaff.
Die großen Kraftstoffanbieter haben aus dem Kaufboykott ihrer Kunden gelernt. Mittlerweile wird neben E10 zumeist auch wieder das alte Superbenzin angeboten, dem nur fünf Prozent Biosprit beigemischt wird. Der Preisunterschied zwischen beiden Sorten liegt bei drei Cent. Da der Verbrauch bei Fahrzeugen, die E10 tanken, steigt, ist die tatsächliche Preisdifferenz noch geringer. Der Anreiz umzusteigen, ist für Autofahrer daher gering.
Shell weitet Angebot nicht aus
Für den ADAC ist die Welt wieder in Ordnung. „Wir sind zufrieden, dass es das E5-Super wieder gibt“, sagt Sprecher Andreas Hölzel. Die Akzeptanz des Biogemischs ist nach Beobachtung der Münchner nur unwesentlich gestiegen.
E10 wurde im Winter dieses Jahres eingeführt. Damit einher ging eine große Verunsicherung der Autofahrer. Nicht alle Fahrzeugmodelle vertragen den Kraftstoff. Da es anfangs an Informationen darüber mangelte, stiegen viele Autofahrer auf das deutlich teurere Superplus-Benzin um. Danach kam es kurzzeitig zu Engpässen bei der Anlieferung des Treibstoffs, da die Tanks mit dem Ladenhüter E10 gefüllt waren.
Die Umstellung auf den Ethanol-Kraftstoff kommt auch nach Monaten nicht weiter voran, wie ein Shell-Sprecher bestätigt. Derzeit bietet der Konzern an der Hälfte seiner rund 2200 Stationen E10 an, vornehmlich im Süden und Osten. Eine Ausweitung sei derzeit nicht in Sicht.
Die Umstellung stockt
Der Flop mit dem Biobenzin kommt alle Autofahrer teuer zu stehen. Denn die Mineralölwirtschaft ist gesetzlich zur durchschnittlichen Beimischung von 6,25 Prozent Bioethanol verpflichtet. Die Quote könnte laut MWV nur erreicht werden, wenn E10 zur Norm würde. Vom Zielwert ist die Branche weit entfernt. Ende des Jahres drohen daher Strafzahlungen, die bis zu 456 Millionen Euro betragen könnten. Die vermuteten Kosten haben die Unternehmen aber bereits über höhere Spritpreise an ihre Kunden weitergegeben. So wirkt die Strafe wie eine zusätzliche Steuer aufs Autofahren.
Ein alt bekanntes Leid ganz anderer Natur hat in der vergangenen Woche viele Autobesitzer verärgert. Kurz vor Ferienbeginn in NRW stiegen die Benzinpreise. Laut ADAC verteuerte sich der Kraftstoff grundlos um sieben Cent. Gestern habe sich das Niveau wieder normalisiert. Die Branche weist den Vorwurf der Preistreiberei zu Ferienbeginn wie gewohnt von sich. Aber: Auch das Kartellamt hatte vor Monaten ungewöhnliche Preisbewegungen beim Benzin nachgewiesen.