Hamburg/Düsseldorf. Die Polizei hat jüngst einen Verkehrsrowdy mit seinem Bild in einem sozialen Netzwerk überführt. Der Fall macht deutlich, dass Fahnder längst Facebook, Xing & Co nutzen. Datenschützer warnen vor ungeahnten Folgen für die Nutzer.

Als Verkehrsrechtsanwalt Ralf Häcker die Ermittlungsakte der Hamburger Polizei aufschlug, war er mehr als überrascht. Sie enthielt ein Foto seines Mandanten aus dem Karrierenetzwerk Xing. Die Polizei hatte dieses mit dem Messfoto von der Autobahn bei Ibbenbüren verglichen und seinen Mandanten, einen Hamburger Geschäftsmann, somit beim Drängeln überführt. Die Polizei musste noch nicht einmal den Schreibtisch zur Beweisaufnahme verlassen. Der Verdächtige lieferte der Polizei sein Beweisfoto sozusagen „frei Haus“.

Für Häcker war in dem Fall nicht viel zu retten. Leugnen half nicht mehr. Die Aufnahmen passten zu eindeutig zum Xing-Foto.

Der Anwalt, der Mitglied im geschäftsführenden Ausschuss der AG Verkehrsrecht ist, ist davon überzeugt, dass solche Fälle zunehmen werden. „Eine einfachere Ermittlung geht nicht.“ Dem Polizeibeamten zollt er sogar ein wenig Respekt: „Hier war ein fuchsiger Beamter am Werk.“ Dennoch dürfe es sich die Polizei nicht zu einfach machen, warnt Häcker. Denn Fotos in sozialen Netzwerken seien manipulierbar. „Wer sagt, dass das Foto bei Xing oder Facebook tatsächlich die gesuchte Person zeigt?“

Polizei darf Quellen nutzen

Dass die Polizei ihre Fahndung längst auf soziale Netzwerke ausdehnt, bestätigt auch ein Sprecher des NRW-Innenministeriums. „Das Bundesverfassungsgericht hat dies in einem Urteil 2008 ausdrücklich für zulässig erklärt“, so der Sprecher weiter.

Nutzer sozialer Netzwerke sollte dies alarmieren, meinen Datenschützer. Sie appellieren deshalb wiederholt, mit Daten im Internet sorgsam umzugehen. Schließlich könnte die Polizei nicht nur das eigene Foto interessieren, sondern auch das der vernetzten Freunde.

Doch ihre Mahnungen richten sich auch an die Polizei. Die Kieler Datenschutzbeauftragte Marit Hansen warnt die Polizei vor ungeahnten Folgen für die Nutzer, wenn sich die Ermittler auf deren Profilen tummelt. Die Polizei solle sich klar machen, dass Facebook unter Umständen feststellen könne, welche Profile die Fahnder im Netzwerk besuchen und daraus eine Liste erstellen. „Was mit solchen Datenbanken passiert, wissen wir nicht“, sagt Hansen.

Datenschützer fordern Regeln für Polizei

Möglicherweise geraten Nutzer schnell unter Generalverdacht. Für Hansen ist folgendes Szenario nicht ausgeschlossen: Wenn Facebook weiß, auf wessen Profil die Polizei war und diese Information in die Hände der USA gerät, kann der Betreffende möglicherweise Probleme bei der Einreise ins Land bekommen.

Hansen fordert daher festgelegte Regeln für die Polizei, wie sie sich bei der Fahndung in sozialen Netzwerken bewegt. „Die Polizei muss so recherchieren, dass sie für Facebook nicht beobachtbar ist“, meint Hansen. Unter anderem gehöre dazu ein anonymer und ständig wechselnder Account. Zu allererst steht für sie aber Aufklärungsarbeit: „Die Polizei muss wissen, was sie für Spuren hinterlässt.“