Genf. Wie sehen Autos 2020 aus? Optisch rechnet Autoexperte Gunnar Herrmann mit ausdrucksstärkeren und aggressiveren Modellen als heute. Vor allem Fahrsicherheit, Komfort und geringer Verbrauch sind Punkte, die sich in Zukunft verbessern sollen.
Gunnar Herrmann ist ein alter Fahrensmann in der Auto-Entwicklung. Bei Ford ist er zuständig für die Focus-Baureihe und die Entwicklung aller Modelle in der „Golf-Klasse“. Auf die Frage: „Wie sehen Autos im Jahr 2020 aus?“ antwortet Gunnar Herrmann erst nach gründlichem Nachdenken. Er sieht einige Entwicklungen ganz konkret, denn während für den Verbraucher das Auto 2020 noch neun Jahre entfernt ist, weiß er als Entwickler schon recht genau, was etwa in vier Jahr auf dem Markt sein wird.
Und ganz abgesehen von allen technischen Möglichkeiten richtet Herrmann sein Augenmerk zunächst auf die Entwicklung des Marktes. Bei jungen Leuten etwa habe das Auto nicht mehr den Stellenwert wie früher. Seine Anschaffung steht längst nicht mehr ganz oben auf dem Wunschzettel. „Immer mehr Leute machen sogar erst mit um die 30 den Führerschein. Auf diese Wandlungen stellen wir uns ein.“
Wichtigstes Ausstattungsdetail für junge Leute ist die Klimaanlage
Ähnliche Erkenntnisse brachte eine Umfrage, die das Institut für Kraftfahrzeuge unter Schülern und Studenten aus Deutschland gemacht hat. Sie ergab als wichtigstes Ausstattungsdetail eines Autos für junge Leute die Klimaanlage. Und die vier meistgenannten Wünsche an ein Auto sind Unfallsicherheit, geringer Kraftstoffverbrauch, geringe Schadstoffemissionen und niedriger Preis. Geschwindigkeit folgt auf dem Wunschzettel erst unter ferner liefen, und das Auto soll eher komfortabel als sportlich sein.
Bei der Umsetzung der Ergebnisse kam als Auto für junge Leute zwischen 17 und 23 Jahren das StudentCar „motio“ heraus, ein vier Meter langes, kompaktes Fahrzeug in Van-Form, durchaus mit Komfort-Accessoires und vor allem mit großzügigem Innenraum.
Wichtig sind soziale Netzwerke und Routenplaner
Für rund fünf von sieben Befragten ist das Auto in ihrem Leben wichtig. Die Kunden der Zukunft wünschen sich funktionale und effiziente Fahrzeuge mit einem verbrauchsarmen Benzinmotor mit etwa einem Liter Hubraum, aber keine reinen Elektrofahrzeuge oder kleine Stadtautos. Wichtig ist ihnen eine breite Vernetzung beispielsweise über soziale Netzwerke und Routenplaner.
Genfer Autosalon 2011
Dazu passt ein weiteres Forschungsprojekt, das die Aachener gemeinsam mit Volvo und fünf weiteren europäischen Partnern im Rahmen des EU-Projekts SARTRE (Safe Road Trains for Environment) durchführen. Bei Tests übernimmt ein Auto die Führung für einen ganzen Fahrzeugkonvoi. Dank intelligenter Computer- und Navigationstechnik wird der Fahrzeugverbund durch ein von einem Mensch gesteuerten Fahrzeug angeführt.
Kraftstoffverbrauch durch gleichmäßige Fahrweise im Windschatten
Die anderen Teilnehmer sind durch Sensoren untereinander und mit dem „Schrittmacherauto“ verbunden. Diese führerlosen Kolonnenautos folgen automatisch und mit dem gebührenden Abstand. Ist die gewünschte Ausfahrt erreicht, übernimmt der Mensch wieder die Kontrolle über das Auto, das dann aus dem Verbund ausschert.
Ein erhoffter Vorteil: Auch der Kraftstoffverbrauch könnte durch die gleichmäßige Fahrweise im Windschatten der Vorderleute um bis zu 20 Prozent reduziert werden. Solche Systeme werden aber mit Sicherheit in neun oder zehn Jahren noch nicht serienreif sein.
Focus-Architektur als Basis
Gunnar Herrmann ist davon überzeugt, dass Elektrofahrzeuge zwar an Bedeutung gewinnen werden, Verbrennungsmotoren aber weiterlaufen. Reine Batterieantriebe werden bis 2020 nicht serienreif sein. Interessant ist eine weitere Übereinstimmung in der Vorausschau des Fachmannes mit den Studenten. Beide sehen in Zukunft keinen Aufstieg der Kunden mehr vom Kleinwagen über die Kompakten und die Mittelklasse bis hin zum Luxusfahrzeug.
Vielmehr erwarten beide, dass Autobesitzer in Zukunft einer Kategorie treu bleiben, ihre Fahrzeuge aber immer mehr individualisieren. „Wir wissen, dass es den klassischen Aufstieg durch die automobilen Segmente nicht mehr in dem Maße gibt“, macht Herrmann kein Geheimnis daraus, dass bei Ford auf Basis der Focus-Architektur demnächst zahlreiche Varianten vom Auto für Singles, Paare, Familien mit Kindern bis hin zu sportlichen Derivaten entstehen werden. Dabei wird es heute noch völlig unbekannte Bodystyles geben, Tabus oder Unmögliches werden die Designer nicht kennen.
Ausdrucksstärkere Modelle mit aggressiveren Formen
Daneben bleiben fast alle gängigen Karosserie-Varianten vom Cabrio bis zum SUV im Angebot. Nur dem Dreitürer gibt er keine Chance. Im Aufwind ist der Kombi. Äußerlich erwartet Gunnar Herrmann noch ausdrucksstärkere Modelle mit mitunter aggressiven Formen. Durch den Vormarsch der LED-Leuchten reduzieren sich die Beleuchtungseinheiten auf Schlitze, was sowohl für die Front- wie auch die Heckpartien neue Gestaltungsmöglichkeiten eröffnet. Die Zukunft hat schon begonnen.