Coburg. . Michael Stoschek, Chef des großen Automobilzulieferers Brose, baut den New Stratos, einen Sportwagen auf Ferrari-Basis im Retro-Look des legendären Rallye-Weltmeisterwagens Lancia Stratos.

Die schönsten Geschenke bereitet man sich selbst, mag Michael Stoschek gedacht haben und geht auf Nummer sicher. Der Enkel des Firmengründers und Chef des global operierenden Automobilzuliefers Brose schloss an Heiligabend unliebsame Überraschungen aus und machte sich zum Weihnachtsmann in eigener Sache. Er erfüllt sich einen Traum, der weder auf den Gabentisch noch in unsere Vorstellungswelt passt. Einen 540 PS starken Sportwagen nach seinem Geschmack lässt er bauen und tauft ihn New Stratos. Aus Ehrfurcht vor dem legendären Rallye-Renner der 70er-Jahre, jedoch nicht ohne Kalkül.

Mittfünfziger aus der fränkischen Provinz
Eine derart großzügige Geste sich selbst gegenüber traut man dem US-Broker zu oder russischen Oligarchen. Doch einem Mittfünfziger aus der fränkischen Provinz? Stoschek, Hersteller von automobilen Fensterhebern und Türsystemen, möchte einmal im Leben nicht nur zuliefern, sondern ein Auto komplett in Eigenregie auf die Räder stellen. Sein Ego ist die stärkste Triebfeder fürs etwa drei Millionen Euro schwere Einzelstück. Sein Geschmacksverstärker ist der in zahlreiche Projekte namhafter Automobilmarken involvierte Designer Chris Hrabalek.

Stoschek und Hrabalek trafen sich 2002 zufällig auf der Straße. Stoscheks Ferrari Dino war liegen geblieben und Hrabalek wollte helfen. Die Begegnung beider Auto-Freaks nahm einen schicksalsträchtigen Verlauf: Hier Stoschek, der von einem eigenen Rennwagen träumt, und dort Hrabalek, beseelt von der Idee, den legendären Lancia Stratos HF aus den 70er-Jahren neu aufzulegen. Beide zeigen 2005 auf dem Genfer Automobilsalon mit der Studie Fenomenon-Stratos, dass sie es ernst meinen. Fünf Jahre später drehen wir mit dem New Stratos schnelle Runden und sind mit Ferrari-Präsident Luca di Montezemolo einig: Das messerscharfe Händling, die liebevoll gestalteten Details und die emotionale Ausstrahlung des New Stratos verdienen höchste Anerkennung. Wenn Ferrari einen Scuderia RSR bauen würde, dieser straßentaugliche Rennwagen wäre die Vorlage.

Brüllt wie ein Löwe

Das Urteil Montezemolos wiegt umso mehr, wenn man um Chris Hrabaleks kühne Pläne weiß. Denn nicht zufällig überbaut der New Stratos das um 20 Zentimeter verkürzte Aluminium-Chassis eines Ferrari 430 Scuderia mit extrem leichter Kohlefaser-Karosserie. Trotz eines 55 Kilogramm schweren Stahl-Überrollbügels wiegt er nur 1247 Kilogramm, somit 80 Kilogramm weniger als der ohnehin schon leichte Ferrari. Der ebenfalls aus dem Ferrari entliehene 4,3-l-V8-Mittelmotor leistet im New Stratos 540 PS, brüllt bis zum Öffnen seiner Auspuffklappen bei 3.800 Touren wie ein Löwe, darüber kreischt er wie eine Kreissäge.

Kein Wunder, dass er den Original-Ferrari leichtfüßig abhängt und extrem hohe Kurvengeschwindigkeiten erreicht. „Wie der Lancia Stratos damals, trägt auch unser New Stratos Ferrari-Gene!“, führt Hrabalek aus und meint damit, dass der Ur-Stratos mit einem Ferrari-Motor von Sieg zu Sieg eilte.

In gut drei Sekunden auf 100, in knapp zehn Sekunden auf 200 und weiter bis rund 280 km/h

Hrabalek wünscht, der Zweisitzer möge kein Einzelstück bleiben. Wenn Montezemolo aufspringe, eine Kleinserie bauen wolle oder gar exklusive Extremsportler mit Ferrari-Technik unter dem Markennamen Stratos auf die Räder stellen möchte, er und Stoschek hätten nichts dagegen. Dafür würden sie die Namensrechte an Stratos abtreten.

Der New Stratos entstand als Auftragsarbeit bei Pininfarina. Sein Retro-Design trägt die messerscharfen Linien des Originals in die Neuzeit. Seine Ferrari-Instrumente wohnen in einem puristisch gestalteten Interieur aus Kohlefaser, Aluminium und Lederverkleidung. Das Ferrari-Lenkrad wurde unten abgeflacht, der Manettino genannte Drehschalter für ausgewählte Fahrzeug-Settings ist geblieben. Die hinterlegten Modi jedoch sind spitzer ausgelegt als im Ferrari.

Auf Augenhöhe erfolgten die Feinabstimmungen mit den Zuliefer-Kollegen Brembo (Keramikbremsen), ZF Sachs (adaptives Fahrwerk), Eibach (Federung), Bosch (Motormanagement) und Hella (Lampen). Drexler ersetzte das elektronisch gesteuerte Ferrari-Hinterachsdifferenzial durch ein 20 Kilogramm leichteres, das auf mechanischem Wege deutlich schneller sperrt und die Fahrstabilität erhöht.

Ferrari 430 Scuderia dient als Teilespender

Die Produktionswerkzeuge des New Stratos gehören Stoschek. Mit ihnen ließen sich beispielsweise bei Pininfarina weitere 25 New Stratos bauen. Interessenten sollten rund 500.000 Euro ansparen und ihren Ferrari 430 Scuderia oder den neuen 458 Italia als Teilespender opfern. Wer keinen Ferrari mitbringt, muss dessen Gegenwert draufzahlen. Die Investition lohnt sich besonders als Weihnachtsgeschenk, wie man am Beispiel von Michael Stoschek lernt. Der strahlt in diesen Tagen wie einst, als seine ersehnte elektrische Eisenbahn unterm Tannenbaum fuhr. Damit Stroschek auch in zwölf Monaten wieder auf ein erfülltes Jahr zurückblicken kann, arbeitet Stratos-Enthusiast und Sammler Hrabalek schon am nächsten Projekt. Bis dahin soll das New Stratos Wettbewerbsauto nach dem FIA-GT2-Reglement aufgebaut sein, was zu einer dramatischen Verknappung der ohnehin seltenen Ferrari 430 Scuderia führen könnte.