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Die Schwalbe von Simson galt vielen als „Vespa der DDR“. Jetzt soll sie erneut flügge werden - als moderner Elektroroller.

Das Original der Schwalbe mit rollertypischer Vollverkleidung. Eher untypisch war der Kettenantrieb.
Das Original der Schwalbe mit rollertypischer Vollverkleidung. Eher untypisch war der Kettenantrieb. © Bildmaschine.de/Dieter Möbus

Nicht vieles aus der DDR ist unumstritten beliebt. Ein kleiner Vogel hat es jedoch geschafft: 1964 erblickte die erste Schwalbe im VEB Fahrzeug- und Jagdwaffenwerk Simson Suhl das Licht der Welt und flog bis 1986 1,2 Millionen Mal aus den Produktionshallen im erzgebirgischen Suhl.

Bis heute erfreut sich der offiziell KR 51 genannte 50er-Zweitakt-Motorroller mit seinen großen Rädern, dem breiten Beinschild und dem viereckigen Scheinwerfer großer Beliebtheit – auch westlich der ehemaligen Zonengrenze. Denn die Schwalbe ist nicht nur ziemlich günstig in Anschaffung und Unterhalt, sondern auch noch deutlich schneller als ihre westliche Konkurrenz: Anders als diese darf sie nämlich 60 statt nur 45 km/h fahren – und zwar ganz legal, eine Ausnahme des Einigungsvertrages. Zumindest, wenn sie bis Februar 1992 zugelassen wurde.

Das ist lange her, und der VEB Simson Suhl ebenso Geschichte wie die DDR. Doch nach dem Motto „Gutes hat auch eine Zukunft“ will man in Suhl die Schwalbe wiederauferstehen lassen, für Preise um 3500 Euro, abhängig von der Batteriegröße.

Während das Äußere (mitsamt des typischen, für Elektroroller aber unüblichen Kettenantrieb) an die guten alten Zeiten erinnert, sind die inneren Werte von nachhaltiger Weitsicht geprägt: Die e-Schwalbe wird in drei Klassen (25, 45 und 80 km/h) mit Reichweiten bis zu gut 200 Kilometer angeboten, der herausnehmbare Akku soll an jeder Steckdose aufgeladen werden können. Da passt es, dass man im Erzgebirge große Vorkommen des aktuellen Batterie-Grundstoffes Li­thi­um zu Tage fördern will.

Das Projekt Elektro-Fahrzeug-Werke-Suhl GmbH, initiiert vom Automobilzulieferer Xtronic und dem Energieversorger Entega, will aber nicht nur einen umweltfreundlichen Antrieb auf die Räder stellen, sondern das komplette Fahrzeug ökologisch herstellen und jedem Käufer ein Kontingent Ökostrom schenken.

Bei so viel Freundlichkeit muss die neue Schwalbe ja so werden wie die alte: unumstritten beliebt in Ost und West

Das Unternehmen wurde bereits 1741 gegründet

Die Marke Simson aus Suhl war vor allem unter Studenten weithin bekannt: Zuhauf bevölkerte die Schwalbe die Uni-Vorplätze, der Motorroller aus VEB-Produktion war überaus haltbar und gilt als chic. 2003 endete die Geschichte der Firma Simson im Konkurs.

Das Ende der Automobilsparte war bereits fast 70 Jahre zuvor gekommen. Das Unternehmen aus dem Thüringer Wald, im Jahr 1741 gegründet, 1856 von den Brüdern Simson übernommen und als Produzent von Waffen, Werkzeugmaschinen und Fahrrädern von gutem Ruf, stieg 1911 in die Automobil-Fertigung ein und belieferte bald die Reichswehr mit Fahrzeugen.

Als der Versailler Vertrag die Herstellung von Waffen limitierte und verbot, gewann die Autosparte bei Simson an Bedeutung. Unter Federführung des Oberingenieurs Paul Henze entstand Anfang der 20er Jahre die neue, betont sportlich bis luxuriös ausgerichtete Supra-Baureihe.

Aushängeschild der Simson-Palette war der 1924 vorgestellte Supra S, dessen technisch hoch entwickelter Vierzylindermotor über zwei obenliegende Nockenwellen, angetrieben von einer Königswelle, sowie Vierventiltechnik verfügte und erfolgreich auf der Rennstrecke eingesetzt wurde. Aus zwei Litern Hubraum holte der Supra S-Motor 50 PS, der einfache ohc-Motor leistete 40 PS. Sehr viel simpler konstruiert waren die Sechs- und Achtzylinder-Triebwerke, welche die luxuriösen und großen Simson-Wagen antrieben.

Nur etwa 1500 Fahrzeuge entstanden in den Jahren 1924 bis 1934 - seit 1929 wurden in Suhl wieder im großen Umfang Waffen produziert, das Standbein Automobilbau verlor an Bedeutung. 1934 wurden die letzten zwölf Simson Supra-Wagen ausgeliefert und die jüdischen Besitzer kurz darauf enteignet. 1935 lief in Suhl das erste motorisierte Zweirad vom Band, nach dem Krieg fertigte die „VEB Fahrzeug- und Jagdwaffenfabrik Ernst Thälmann” Mopeds und Motorroller - vorerst nur bis 2003.