Deutschland diskutiert über die Pflicht, Winterreifen bei schwierigen Straßenverhältnissen zu nutzen. Eine solche Regelung existiert zum Beispiel in Schweden vom 1. Dezember bis 31. März - im benachbarten Norwegen übrigens nicht.

Zu Beginn einer jeden Folge von den Simpsons muss der kleine Rüpel Bart so lange nachsitzen, bis er die Tafel mit einem Satz voll geschrieben hat. Würde ein Vertreter der Reifenlobby an seine Stelle treten, müsste der Satz lauten: Es gibt keine Winterreifenpflicht. Es gibt keine...

Eine Winterreifenpflicht würde bedeuten: In einem bestimmten Zeitraum darf nur mit Winterreifen gefahren werden, egal, wie die Straßenverhältnisse tatsächlich sind. Eine solche Regelung existiert zum Beispiel in Schweden vom 1. Dezember bis 31. März - im benachbarten Norwegen übrigens nicht.

In Deutschland gilt jetzt bald das Verbot, bei winterlichen Straßenverhältnissen einen Wagen ohne Winterreifen zu fahren - mehr nicht. Niemand muss Winterreifen kaufen, um am Straßenverkehr teilnehmen zu dürfen. Im Gegensatz etwa zur uneingeschränkten Gurtpflicht oder zur Helmpflicht ist die so genannte Winterreifenpflicht also gar keine immer gültige Pflicht („Du musst immer von dann bis dann mit Winterreifen fahren“), sondern ein Gebot („Du darfst nicht auf verschneiten Straßen ohne Winterreifen fahren“).

Klarer gestellt wird jetzt, was winterliche Straßenverhältnisse überhaupt sind, was wünschenswert ist. Und bei diesen Verhältnissen darf man zukünftig nur noch mit Winterreifen fahren. Bislang lautete das Gebot „geeignete Bereifung“. Aber noch einmal: Niemand muss Winterreifen zwischen „Oktober und Ostern“ aufziehen, wie es der Reifenhandel gerne hätte.

Die Eingrenzung „Oktober bis Ostern“ ist purer Unsinn: Am 3. Oktober feierte Deutschland gerade bei 23 Grad das Einheitsfest, und Ostern ist ein um vier Wochen schwankendes Datum. Das Beispiel aus dem hohen schwedischen Norden sagt ja wohl alles.

Die Profiltiefe müsste auch vorgeschrieben werden

Unsinn ist die Neu-Sprachregelung auch, weil es gar keine Definition für Winterreifen gibt. Irgendein Profil mit dem Aufdruck „M+S“ genügt. Für den gibt es schlicht keine Kriterien, jeder chinesische Billighersteller kann ihn benutzen. Zudem müsste auch eine Winter-Mindest-Profiltiefe genannt werden, die mindestens doppelt so hoch sein müsste wie die normale gesetzliche Mindestprofiltiefe von 1,6 Millimetern.

Und wenn wirklich auf EU-Ebene hohe Qualitätshürden für Winterreifen aufgestellt werden? Dann dürfen alle Flachland­tiroler für zwei Tage Schneegestöber einen Extrasatz Räder kaufen. Egal, ob sie einen kleinen Schneewühler mit Frontantrieb, einen Allradler oder eine Heckschleuder bewegen.

Da werden dann viele Ärger und Kosten scheuen und entweder das ganze Jahr über mit regen­untauglichen Winterreifen fahren oder auf Ganzjahresreifen umrüsten. Wie jeder Reifen sind die ein Kompromiss. Im Sinne der Verkehrssicherheit von Ostern bis Oktober ein schlechter.

Winterreifen sind im Winter besser, so wie Sommerreifen im Sommer besser sind

Darüber hätte Peter Ramsauer nachdenken können. Seine Initiative geht auf ein jüngst ergangenes Urteil der Oberlandesgerichts Oldenburg zurück, dass die Formulierung „geeignete Bereifung“ für nicht vereinbar mit Verfassung hält, was allerdings noch endgültig vor dem Verfassungsgericht zu klären wäre. Das Urteil verhindert aber mitnichten, das die Polizei Bußgelder wegen nicht angepasster Fahrweise oder Verkehrsbehinderung verhängt, wenn Sommerreifen-Fahrer hilflos hin- und herrutschen oder die Fahrbahn blockieren. Das durfte sie nämlich auch schon, bevor die bis jetzt bestehende Regelung 2006 geboren wurde.

Um das am Ende noch einmal ganz klar zu stellen. Winterreifen sind im Winter besser, so wie Sommerreifen im Sommer besser sind. Es gibt aber gar keinen Grund, jedem bestimmte Reifen für bestimmte Zwecke vorzuschreiben.