Ruhrgebiet. .
Die Pflicht zum Winterreifen rollt an. Viele Menschen fahren sie sowieso bald wieder, aber Detailfragen sind offen.
Das „Bestimmtheitsgebot“ aus dem Grundgesetz kam den Landes-Verkehrsministern jetzt auch länger nicht mehr auf den Tisch. Es besagt in etwa, dass Vorschriften verständlich sein sollen. Damit jeder Betroffene einschätzen kann, ob er sich gerade an sie hält oder nicht. Insofern ist die bisherige Vorschrift „geeigneter Bereifung“ bei jeder Wetterlage viel zu vage – bestimmt!
Daher wollen die Minister das jetzt konkreter fassen, Winterreifen werden eventuell namentlich vorgeschrieben – da weiß man dann, was man haben muss! „Das ist sehr sinnvoll, damit man auch im Winter normal fahren kann und nicht nur 30“, sagt Sven Steinmetz, Verkäufer bei dem großen Reifenhändler Stiebling mit Zentrale in Herne.
Freude bei den Reifenhändlern
Steinmetz freut sich gerade, „unser Haus ist voll“, sagt er; selbst bei diesen 18 Grad draußen steigen schon Leute um von Sommer- auf Winterreifen (bestimmt!). Das ist schlau, findet der Verkäufer natürlich: „Wenn das Wetter sich in zwei, drei Wochen ändert, kann es ganz schnell passieren, dass man keine Teile und keine Termine mehr bekommt.“ Und die Reifenhersteller verbreiten eh sehr gern, Winterreifen seien immer sinnvoll zwischen Oktober und Ostern.
Doch so eindeutig ist auch dieses Thema gottlob nicht. Denn auch wenn die Hersteller behaupten, dass Winterpneus generell ab Temperaturen unter sieben Grad besser haften, gibt es Widerspruch: „Jahrzehntelange Reifentests belegen das nicht“, sagt Helmut Klein, Ingenieur in der Abteilung Test und Technik des ADAC.
„Die Wetterlage ändert sich ständig. Deshalb kann man die Notwendigkeit von Winterreifen weder von einer bestimmten Temperatur noch von einer Jahreszeit abhängig machen.“ Freilich, Anhaltspunkte gibt es nach Klein dennoch: „Wenn es langfristig deutlich abkühlt, Nachtfrost oder Schneefall gibt, dann sind Winterreifen definitiv die bessere Wahl.“
Was eigentlich ist ein Winterreifen?
Das sehen auch die Leute so, die die WAZ am Mittwoch befragte; wobei umgehend der Eindruck entstand, dass es mehr Menschen ohne Autos gebe als ohne Winterreifen. Marcel Schulz aus Gladbeck also hat schon immer solche Reifen, „das ist auch eine Frage des Versicherungsschutzes“; Ralf Ismael aus Essen hingegen hat seine quasi als Zugabe ausgehandelt, als er vor Jahren ein neues Auto kaufte: „Ob man mit Winterreifen fährt, kommt darauf an, wo man fährt.“
Und weitere Stimmen: „Wir ziehen unsere jetzt wieder auf, das ist besser bei Laub und Feuchtigkeit“, sagt Birgit Hartings aus Ahlen; die Essenerin Monika Vatter meint: „Mit Sommerreifen im Winter ist man eine Gefahr für sich und für andere.“ Bleibt noch Christoph Lehmann, der gerade das Motorrad besteigt; da gelten ganz andere Kriterien: Mit Motorrad ist Schluss, „wenn ich nicht weiß, ob es glatt ist, und sowieso, wenn Salz auf der Straße ist“.
Winterreifen oder nicht, die Frage also stellt sich bald nicht mehr. Andere hingegen sind völlig offen: Was ist zum Beispiel mit Ganzjahresreifen? Oder: Was ist, wenn nach der Neuregelung überraschend früh Schnee fällt, ich nicht selbst umrüsten kann und auch keinen sofortigen Termin in der Werkstadt bekomme (weil ja alle . . .)? Ach ja, noch eines, und das ist ganz schlecht für neue Verordnungen: Es gibt bisher keine Definition, was überhaupt ein Winterreifen ist.
Bestimmt.