Essen. Könnte man einen extrem fließheckigen Toyota Prius mit einem wie von Zorro gezackten Z4 Coupé kreuzen, so wie man einen Pudel mit einem Windhund kreuzt, das Ganze mit Geländewagen-Genen und Wachstumshormonen manipulieren, dann ständen die Chancen gut, dass ein BMW X6 dabei herauskommt.
Ein viertüriges Coupé mit Heckklappe auf dem Chassis eines großen Allrad-SUVs mit riesigen Rädern - also etwas, das es gar nicht geben dürfte, weil es in der Evolutionsgeschichte des Automobils eigentlich nicht vorgesehen ist. Allerdings kennt die Evolution im Tierreich auch scheinbar sinnlosen Zierrat wie das Pfauenrad und die Löwenmähne.
„Was ist denn das!”, hört der Fahrer allenthalben, gerne ergänzt durch den Nachklang „... für ein Monster..., ...eine tothässliche Kiste..., ... für ein Auto”. Interessant dabei: Viele halten diesen German Panzer für noch größer, als er es tatsächlich ist. Gerne wird man als X6-ler auch mal verfolgt und auf dem Parkplatz gestellt: „Was ist denn das...” Leser schickten uns lange nach der Premiere noch selbstgeschossene Erlkönigfotos.
Ladekante auf Höhe Bauchnabel
Technisch ist der BMW X6 genauso wie der ebenfalls in USA gebaute X5 ein SUV, dessen Abstammung vom Geländewagen nur noch den Allradantrieb und die hohe Karosserie beweist. Der X6 paart die dem Sports Utility Vehicle angeborene Platzverschwendung auf Rädern mit der Praxisuntauglichkeit eines Coupés.
Beispiele gefälig: Der X6 ist ein Viersitzer, in dem hinten nur Zwerge nicht mit dem Kopf ans Dach stoßen. Die Ladekante liegt bei Normalwüchsigen auf Bauchnabelniveau, das kleine Kofferraumvolumen wegen der flachen Heckklappe nur bedingt zu nutzen. Fünf Zentimeter Überbreite gegenüber dem nicht gerade schlanken X5 machen aus das Parken zu einem der letzten Abenteuer der Großstadt.
Besser um die Ecken kacheln
Mit dem Schießscharten-artigen Fensterschlitz in der scheibenwischerlosen Klappe verdient sich der X6 den Meistertitel in der Disziplin Rücksichtslosigkeit. Bei Dunkelheit und Regen fällt Zurücksetzen unter die Kategorie Blindflug, da hilft auch die frecherweise aufpreispflichtige (Baumarkt-billig wirkende) Rückfahrkamera nicht weiter.
Natürlich kann das Auto auch was, nämlich besser als das bisherige Maß der SUV-Dinge, der Porsche Cayenne, um die Ecken kacheln, mit dem neuen Kraftverteilungsgetriebe noch in nassen Kurven fulminant beschleunigen und dabei an die Grenze des physikalisch Möglichen gehen. Ohne dabei dem Fahrer zu verraten, dass es das Auto ist und nicht der ganze Kerl am Steuer, der hier alles rausholt. Ein Elefant, der steppt, kommentierte die Fachzeitschrift „ams” das fahrdynamische Wunderwerk, das ohne die übertriebene Härte des Porsche-SUV Cayenne auskommt.
Zwei Tonnen automobile Unvernunft
Die ganze Kraft des Unternehmens steckt darin, das hohe Gewicht und den hoch liegenden Schwerpunkt des X6 wegzuregeln, und obwohl dies weitestgehend gelingt, kommt kein sportliches Fahrgefühl rüber. Die Lenkung ist schwergängig, und die überbreiten Räder am Testobjekt gingen am liebsten ihren eigenen Weg (die Notbereifung ist schon so breit wie früher ein Käferrad). Und auch der beste Dieselmotor der Welt kann es nicht schaffen, weit über zwei Tonnen automobile Unvernunft mit weniger als zehn Liter in Schwung zu bringen. Dafür treibt der Sechszylinder-Doppelturbo die Fuhre Richtung 250 km/h treiben. Gute Nacht, Weltklima.
Der X6 ist also weitestgehend sinnfrei wie jedes Coupé und teuer wie ein Premium-SUV: ab knapp 60 000 Euro. Wer es extra-extrovertiert liebt, seinen Spaß am Rasen im Hochsitz nicht mit angeblichen SUV-Qualitäten rechtfertigen muss („sicherer für die Kinder”) und sich in der Was-ist-denn-das-für-eine(r)-Rolle gefällt, dem wird das zusagen. Seine zur Schau gestellte Sinnlosigkeit scheint das Erfolgsgeheimnis des X6 zu sein. Gegen den SUV-Trend legte der schräge Typ 2008 einen guten Start hin. Ein ähnliche verkleidete Luxuslimousine dürfte bald folgen. Brrrrh.
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