Braucht die Welt der schön Reichen einen Luxus-Sportwagen mit vier Türen? Aston Martin meint: Ja. Für 180.000 Euro darf man sich mit dem Rapide als Mitglied der automobilen James-Bond-Familie fühlen.

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„Der Welt schönster viertüriger Sportwagen“ preist Aston Martin seinen neuen Rapide geschmacklich ein. Damit will natürlich gegen den konkurrierenden Panamera nichts gesagt sein, außer vielleicht mit britischer Dezenz: Der Porsche ist kein richtiger Sportwagen. Oder er sieht mit seinem „Wiedeking-Buckel“ über dem Gepäckabteil einfach weniger schön aus. Oder von beidem ein bisschen. Von einem Vergleich mit Maseratis Quattroporte nimmt man gänzlich Abstand.

Dass der bereits dem Namen nach „Schnelle“ ein Sportwagen ist, beweist schon die erste Ansitzprobe im feinen Fond, noch bevor der Zwölfzylinder das erste Mal aufröhrt. Tief ist es, und eng, die Sitzfläche kurz und der Weg weit zum Nachbarn, denn dazwischen liegt ein breite, breite Mittelkonsole. Mehr Platz als im Heck eines Porsche 911 zu finden ist bietet der über fünf Meter lange Aston auf den hinteren Plätzen nicht. Der erträgliche Zugang durch die zusätzlichen Türen macht den Unterschied zum normalen Sportwagen aus, nicht das Raumangebot.

477 PS, 296 km/h

Wenigstens stößt Mann bis 1,90 Meter Körperlänge sich nicht den Kopf, und es fehlt schlicht der Platz, hin und her zu schaukeln, wenn der Fahrer Lust auf Kurvenhatz und Beschleunigungsorgien (auf 100 km/h in 5,2 Sekunden) hat. Insgesamt entspricht das Rapide-Feeling dem in der Economy-Class, wo der Panamera mit Einzelsitzen eher Business-Niveau vermittelt. Schwiegermutter und Erbtante dürfte Mann das nur in begründeten Ausnahmefällen zumuten wollen. Kindern und Models werden sich hier wohl fühlen. Sollen sie ja auch.

Beim Ausstieg hilft Jung und Alt ein feiner Lederriemen mit aus dem vollen Material modellierten Metallknebel, der sich nach Gebrauch von selbst wieder magnetisch am Türpfosten fixiert. Da weiß man, wofür Mann (deutscher Preis) 180.000 Euro bezahlt hat: Für ungewöhnliche Details, ein geschmackvolles Ambiente ohne Gimmicks und eine Verarbeitung, die sich sonst nur noch ganz, ganz selten findet. Bei Rolls-Royce zum Beispiel. Gebaut werden, wenn es gut kommt für das Traditionsunternehmen aus dem englischen Gaydon, 3000 Rapide im Jahr bei Magna in Graz – genau: Bei den Österreichern, die Opel kaufen wollten, und deren Fertigungsqualität überragend ist.

Die V12-Soundmaschine

Röhrt die sechs Liter große Soundmaschine unter Martins langer Motorhaube erst einmal richtig auf, werden letzte Zweifel beiseite gewischt. Ja, der Rapide ist ein Sportler: schnell, hart, kompromisslos. Überlänge und -Gewicht von zwei Tonnen sind kaum zu merken, solange es nicht auf die Rennstrecke gehen soll – und wer will das schon mit Frau und Kindern. Dieses Gesamtergebnis ist kein Wunder, den Aston Martin hat die aus den Sportwagenmodellen DBS und DB9 bekannte Plattform verlängert. Fast 500 PS und 300 km/h Höchstgeschwindigkeit setzen dem Komfortvermögen Grenzen. Auf ebenen Straßen fallen sie auch nicht zu eng aus.

Dass mit dem Rapide schnell 20 Liter und mehr zu Kohlendioxid verbrannt werden, darf an dieser Stelle nicht verschwiegen werden. In Sachen Spritspartechnik hat Aston Martin Nachholbedarf. Nur nach und nach kann die kleine Firma nachrüsten. Deshalb fehlen auch moderne Assistenzsysteme wie Spurwarner und Abstandhalter, die es anderswo bereits in der profanen Mittelklasse problemlos gibt. Warum es beim Rapide nicht zu einer automatischen Heckklappe über dem 317 Liter kleinen Kofferraum gereicht hat, ist auch nur mit den Problemen einer Marke zu erklären, die erst seit 2007 von Ford unabhängig geworden ist und in einem guten Jahr lediglich 6000 Autos baut. Da muss Exklusivität technische Extravaganz ersetzen.

Schönheit liegt bekanntlich im Auge des Betrachters, objektive Kriterien für gute Gestaltung gibt es trotzdem. Der 1,36 Meter flache Luxus-Sportler erfüllt sie alle und provoziert in der Öffentlichkeit angemessene „Rapide Eye Movements“ – schnelle Augenbewegungen folgen dem aggressiv-eleganten Viertürer überall.

Es ist nicht das Auto für den Aston-Martin-Markenbotschafter James Bond, sondern eher für seinen Vater, erklärt der verantwortliche Technikingenieurs des Unternehmens den viertürigen Sportwagen. Da ist was dran, doch versteckt sich in der Umschreibung auch das Sonderbare des Rapid: James Bond hat als Waise gar keinen vorzeigbaren Vater.