Dresden. Jetzt rollen die ersten dreijährigen Fahrzeuge zur Hauptuntersuchung in die Prüfhallen von Tüv, Dekra und Co, bei denen erstmals elektronische Systeme wie ABS, ESP oder Airbag begutachtet werden. Teurer wird die HU deshalb nicht. Aber teuer kann die Mängelbeseitigung werden.

Es ist lange her. Von der Öffentlichkeit weitgehend unbeachtet trat am 1. April 2006 die Verordnung zur erweiterten Hauptuntersuchung (HU) für sicherheitsrelevante elektronische Baugruppen in Kraftfahrzeugen in Kraft. Die Folgen der Novellierung bekommt der Autofahrer nun zu spüren, denn jetzt rollen die ersten, dreijährigen Fahrzeuge in die Prüfhallen von Tüv, Dekra und Co. Erstmals werden elektronische Systeme wie ABS, ESP oder Airbag begutachtet. Das bringt zunächst einmal mehr Sicherheit - können doch der Fahrer des Wagens und andere Verkehrsteilnehmer weiter davon ausgehen, dass diese elektronischen Helfer richtig funktionieren und im Notfall auch für Unfallschutz sorgen.

Unter die Lupe genommen wird unter anderem die gesamte Bremsanlage samt ABS und ESP. (Foto: Tom Thöne / WAZ)
Unter die Lupe genommen wird unter anderem die gesamte Bremsanlage samt ABS und ESP. (Foto: Tom Thöne / WAZ) © WAZ

Teurer wird die HU deshalb nicht. Aber teuer kann es trotzdem werden, wenn Mängel an verkehrssicherheits- und umweltrelevanten Systemen festgestellt und behoben werden müssen, die Garantie dafür abgelaufen ist oder nicht greift. Denn der Halter eines Fahrzeugs, ob Pkw, Motorrad, Hänger, Bus oder Lkw, hat die Pflicht, einmal eingebaute Systeme über die gesamte Kfz-Lebensdauer funktionstüchtig zu halten, wie jetzt bei einem Workshop «Elektronische Hauptuntersuchung» des Tüv Süd im sächsischen Radeberg unterstrichen wurde.

Defekte Elektronik gilt nun als „erheblicher Mangel“

Arbeitet ein serienmäßiges Elektroniksystem zum Beispiel nach einem Unfall oder nach Arbeiten am Fahrzeug nicht mehr einwandfrei oder ist gar nicht mehr vorhanden, gilt das als «erheblicher Mangel». Dann gibt es zunächst keine Prüfplakette, und - es wird richtig teuer. Der reine Fahrerairbag beispielsweise schlägt mit Preisen zwischen 600 bis 1000 Euro zu Buche, ohne Einbaukosten. Steht gar der Austausch eines Beifahrerairbags an, dann muss in aller Regel ein Teil des Armaturenbrettes ebenfalls erneuert werden, mit entsprechenden Mehrausgaben.

Unter die Lupe genommen werden im Einzelnen die gesamte Bremsanlage samt ABS, Fahrdynamik-Regler mit Eingriff in die Bremsanlage wie das Antischleuderprogramm ESP sowie Geschwindigkeitsbegrenzer, Lenkanlage, Scheinwerfer und Leuchten inklusive Reglern für Kurvenfahrlicht, Sicherheitsgurte, Gurtstraffer und andere Rückhaltesysteme und Airbags. Bei Cabrios kommt der Überrollschutz hinzu.

Airbags nach Unfall ausgebaut

Dass die Behebung eines solchen Mangels einiges kosten kann, erlebten nach Angaben des Dekra-Experten Jürgen Bönninger im vergangenen Jahr die Halter von rund 77 000 Fahrzeugen, an denen Kfz-Sachverständige fehlerhafte oder manipulierte Airbags feststellten. Teils seien sie nach einem Unfall ausgebaut und nicht ersetzt worden, um die teure Reparatur zu vermeiden, berichtet Martin Jost vom Tüv Süd. Auch defekte Leuchtweitenregler, nach privaten Arbeiten am Auto falsch eingesetzte ABS-Steuergeräte oder fehlerhaft installierte ESP-Sensoren seien entdeckt worden.

Die Behebung eines elektronischen Mangels sei aber etwas anderes als der Austausch eines defekten Auspuffs, sagt Bönninger, Chef der Dresdner Fahrzeugsystemdaten (FSD). Helfe bei Elektronik kein Update, bleibe im Interesse der Verkehrssicherheit nur die Reparatur oder der Austausch des Teils.

Laptop statt Schraubenschlüssel

"Zukunft" der Hauptuntersuchung ist ein kompakter PDA-Computer, den der Techniker mit dem Anschluss für die On Board Diagnose (OBD), den jedes moderne Fahrzeug hat, verbindet. (Foto: Tom Thöne / WAZ) © WAZ

Noch erfolgt der «Elektronik-Tüv» weitgehend nach herkömmlichem Muster. Was derzeit technisch schon möglich ist und wie eine Prüfung elektronischer Systemen vielleicht schon ab dem nächsten Jahr bundesweit effizienter und schneller erfolgen kann, demonstrierten Sachverständige bei dem Workshop. Laptop statt Schraubenschlüssel ist ihr Motto.

«Zukunft» der Hauptuntersuchung ist ein kompakter PDA-Computer, den der Techniker mit dem Anschluss für die On Board Diagnose (OBD), den jedes moderne Fahrzeug hat, verbindet. Über einen Adapter wird online eine Verbindung zwischen Kfz-Steuergerät, Computer der Prüfstelle und einer HU-Datenbank mit den systemrelevanten Regeldaten geschaffen. In Sekundenschnelle lässt sich so ermitteln, ob die elektronischen Helfer vorhanden sind, einwandfrei funktionieren, ob es sich um Originalteile handelt oder nicht sachgemäßen Ersatz. Ohne Betätigen eines Schalters, Hilfe eines Kollegen oder Probefahrt kann der Prüfer auch das Funktionieren von Leuchten oder adaptivem Bremslicht sowie elektronischer Sensoren und Regler direkt am Auto auf dem PDA ablesen und auch für den Abschlussbericht ins PC-System eingeben.

In der Datenbank der FSD sind inzwischen Herstellerangaben zu über 60 Millionen in Deutschland zugelassenen Fahrzeugen erfasst. Zudem speichert das System die bei 24 Millionen Hauptuntersuchungen im Jahr ermittelten typspezifischen Mängel. (ddp)

Mehr zum Thema:

Mit der Lizenz zum Kleben