Berlin. Neues bei VW: Der Golf GTI der sechsten Generation wird vom Hersteller erst „Ab 21 Jahren“ empfohlen. Jeder unter 21-Jährige, der einen GTI trotz der Warnung - und trotz des hohen Preises - kauft, bekommt ein Fahrsicherheitstraining gratis dazu.
Der leuchtend weiße Wagen prescht, schleudert und blinkt durch den morbiden Charme abgetakelter amerikanischer Hafenanlagen. Zentimetergenau bremst er vor dem nassen Abgrund, schnurgerade rast er rückwärts durch haushohe Containerwände. Unfallfrei.
Dann schaut die Kamera ins Cockpit. Auf dem Fahrersitz Smudo von den «Fantastischen Vier», daneben ein etwa 18-jähriger Mann mit dem Gesichtsausdruck lechzender Begeisterung. Er bekommt den Autoschlüssel nicht. «Erst nach einem Fahrsicherheitstraining», muss er sich sagen lassen. «Ein Fahrzeug für Fortgeschrittene», «die Fahrmaschine schlechthin», preist VW-Marketingchef Jochen Sengpiehl den Wagen bei der Vorstellung der Kampagne. Nichts für Anfänger.
GTI-Kult seit 1976
Wenn das Ambiente älterer Industrieanlagen für Autowerbung auch schon etwas abgegriffen ist, gibt es hier doch etwas entscheidend Neues: Der Golf GTI der sechsten Generation wird vom Hersteller erst «Ab 21 Jahren» empfohlen. So steht es auf einem Sticker, der den FSK-Aufklebern auf den Videospielen ähnelt. Selbst die Werbespots im Fernsehen warnen Zuschauer unter 16. Die meisten Unfälle werden von Fahrern unter 24 Jahren verursacht.
Die drei Buchstaben an Heck und Kühlergrill sind Kult seit 1976, als der erste GTI mit 110 PS und 182 km/h Spitze dem ach so vernünftigen Käfer-Nachfolger richtig Pep einspritzte. Seitdem wurde der Schriftzug zu einer eigenständigen Marke nicht nur für die schnellen Varianten großer und kleiner Familienautos, sondern auch für andere Konsumartikel.
Aber GTI steht auch für: Der Wagen ist unvernünftig, ein bisschen prollig, zu schnell. Ihn fahren junge Leute, die nur rasen wollen, aber weder Erfahrung mit brenzligen Situationen noch Geld für ein großes Auto mitbringen.
Mit all dem kokettieren die Werbeleute ab sofort im Fernsehen, im Netz, auf dem iPhone und - ja: auch in Printmedien, um Reklame für die reichlich in dem Wagen untergebrachten Sicherheitsfeatures zu machen. Zugleich appellieren sie mit Gemeinplätzchen an die Verantwortung des Fahrers: «Kein Alkohol, keine Drogen», sagen Smudo (»Ich fahre Autorennen seit 2000») und der Rennfahrer Hans-Joachim Stuck: «Wir müssen auch bei dem Fahrer ansetzen.»
Fahrsicherheitstraining gratis
Und so bekommt jeder unter 21-Jährige, der einen GTI trotz der Warnung kauft, ein Fahrsicherheitstraining gratis dazu. Das Schwierigste dabei sei «Bremsen lernen», versichert Volkswagen-Pkw-Vorstandsmitglied Christian Klingler, der extra für die Kampagne einen solchen Kurs hinter sich gebracht hat.
In Wirklichkeit wollen sie vielleicht das genaue Gegenteil als «Ab 21 Jahren»: Die Zielgruppe erweitern. Auf eine entsprechende Frage räumt Sengpiehl ein, aus der Vergangenheit sei bekannt, dass der durchschnittliche Fahrer 39 Jahre alt und männlich sei.
Die mangelnde Präsenz der Fahranfänger mag auch am Preis liegen: 26.500 Euro. Dafür ist er jetzt 100 PS stärker, 58 km/h schneller und 50 Zentimeter länger. Aber er verbraucht mit 7,3 Liter durchschnittlich 0,7 Liter weniger als Generation GTI eins. «Auch in der Umweltdebatte sollte mal wieder die Sicherheitsdebatte geführt werden», sagen die Marketingleute der Wolfsburger. Der GTI lässt laut Typenblatt pro Kilometer 170 Gramm Kohlendioxid in die Atmosphäre. Geht es nach der EU-Kommission, dürfen 2015 durchschnittlich 120 Gramm aus dem Auspuff kommen. (ap)
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