Berlin (dpa/tmn). Cargo-Bikes sind in Mode. Man sieht es in den Städten und an den Verkaufszahlen. Alle Infos rund um Kauf, Förderung, Rechtliches und Praktisches einer Boom-Fahrradgattung.
Lastenrad, Cargobike, kurzum Packesel auf zwei Rädern. Transportfahrräder boomen: «Lastenräder gewinnen in Deutschland immer mehr an Beliebtheit. Im vergangenen Jahr konnten wir über 60 Prozent Wachstum beim Lastenradverkauf verzeichnen», sagt Anke Schäffner vom Zweirad-Industrie-Verband (ZIV) in Berlin. Sie sieht noch «viel Potenzial für dieses Segment» - im privaten, wie im kommerziellen Bereich.
Lastenfahrräder eignen sich mit Zuladungskapazitäten von manchmal mehreren Hundert Kilo für Gewerbe und Handwerk, mit Sitzen und Gurten ausgestattet als Kita-Taxi. Und mal eben den Wocheneinkauf im Supermarkt erledigen, das schaffen sie genauso wie auf Radreisen den Transport kleinerer Kinder und Gepäck in einem Aufwasch.
«Die Vielfalt der Bauformen ist mittlerweile fast unüberschaubar», heißt es beim Pressedienst-Fahrrad (pd-f). Eine Übersicht über Typen, Eigenschaften, Anschaffung und Rechtliches.
BELADEN: Die Spanne ist sehr weit. So gibt es etwa Schwerlastenräder, deren Ladeflächen manchmal bis zu 300 Kilo aufnehmen können und je nach Aufbauten ein Fassungsvermögen von 2500 Litern bieten. Genauso ist aber auch das klassische «Bäckerfahrrad» mit einen großen Korb über einem kleinerer Vorderrad verfügbar. Bei den Bauformen unterschieden werden einspurige und zweispurige Lastenräder.
Klassiker unter den Einspurigen ist das Long John mit tief liegender Ladefläche zwischen Lenksäule und Vorderrad. Es ist länger, aber selten breiter als ein klassisches Fahrrad. Zuladungen von um die 100 Kilo sind gängig. Als Zubehör gibt es unter anderem Doppelkindersitze, Aufnahmen für Maxi-Cosi-Babyschalen oder verschließbare Boxen.
Die Ladefläche hinter dem Sattel ist dagegen beim einspurigen Longtail zu finden, auch Backpacker genannt. Zwei Varianten gibt es: eine mit verlängertem Radstand und Ladefläche vor einem nach hinten verlagerten Hinterrad; eine andere mit verlängertem Gepäckträger. Ist der Gepäckträger kürzer, spricht man vom Midtail-Lastenrad.
Unter den Zweispurigen ist das Dreirädrige mit Kiste zwischen zwei Vorderrädern gängig. Hier finden laut pd-f bis zu sechs Kinder Platz. Gängige Zuladung ist 150 Kilo.
FAHREN: Die Fahreigenschaften sind grundsätzlich besser, je tiefer der Schwerpunkt liegt. Am ehesten wie ein herkömmliches Fahrrad fahren einspurige Lastenräder. «Mit ihnen kommt man zügig voran, kann auch Engstellen passieren und Kurven wie gewohnt bewältigen», sagt René Filippek vom Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Club (ADFC). Sind sie wie ein Long John länger, fahren sie weniger wendig.
Einschränkung bei den Einspurigen: Ihre Lastesel-Eigenschaften sind gegenüber Trikes grundsätzlich geringer. Ein Grund: Ihre Ladeflächen sind in der Regel nicht breiter als der Lenker. Und sie stehen trotz robuster Doppelfußständer nicht so stabil wie ein Dreirad.
Bei Dreirädern ist das Fahrverhalten gewöhnungsbedürftig. Aufgrund der beiden Vorderräder sei es nicht möglich, sich in die Kurve zu legen, so Filippek. Gemächliches Fahren sei angesagt, «um beim Einlenken nicht umzukippen.» Manche Hersteller statten ihr Trikes mit Neigetechnik an der Vorderachse aus, um die Kurveneigenschaften zu verbessern.
Vorrangig dürfte für viele aber der E-Antrieb sein. «Gerade bei Lastenrädern ist die Unterstützung durch einen Elektromotor sinnvoll», sagt Filippek. Schwere Lasten ließen sich mit Motor leichter in Bewegung setzen, auch bergauf geht es müheloser.
Beim Kindertransport sollten Eltern darauf achten, dass die Gurte fest sitzen. «Dadurch reagieren Lastenräder mit Transportboxen deutlich weniger empfindlich, wenn das Kind sich bewegt», sagt Dirk Zedler vom Fahrrad-Prüfinstitut Zedler.
BEZAHLEN: Lastenräder zählen zu den teuersten Fahrradgattungen. Durchschnittspreise einzelner Modellgruppen erhebt der ZIV zwar nicht, doch schätzt man diese für unmotorisierte Cargobikes auf 3000 Euro und 4500 bis 5000 Euro für E-Lastenräder. Ein ganz schöner Batzen Geld, den man erst einmal übrig haben muss.
Die Investition kann aber per Förderung minimiert werden. Über die Richtlinie zur Förderung von E-Lastenfahrrädern fördert das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) die Anschaffung von E-Lastenfahrrädern. Antragsberechtigt sind unter anderem Unternehmen, Freiberufler, Kommunen und Vereine, nicht aber Privatpersonen. Förderfähig sind 25 Prozent der Ausgaben für die Anschaffung, maximal jedoch 2500 Euro pro E-Lastenfahrrad, finanziert werden kann auch über Raten- oder Mietkauf.
Zudem gibt es Förderprogramme auf Landes- und kommunaler Ebene - von denen Privatleute nicht pauschal ausgeschlossen sind - beispielsweise in Niedersachen und Thüringen. Auch Städte legen immer wieder Programme auf, die jedermann offen stehen. Von vielen Förderungen ausgeschlossen sind allerdings Bikes mit verlängertem Gepäckträger, damit fallen Longtails heraus.
LEASING UND SHARING: Alternativ bietet sich Leasing über den Arbeitgeber an. Dabei wird eine Monatsrate fällig, und das Dienstrad muss wie ein Dienstwagen als geldwerter Vorteil versteuert werden, weil es in der Freizeit genutzt werden darf. Das bedeutet aktuell: Bei der Gehaltsumwandlung müssen monatlich 0,25 Prozent vom Listenneupreis des Fahrrads versteuert werden.
Während sich Leasing nach Auskunft des Bundesverbands Zukunft Fahrrad (BVZF) immer mehr etabliert, gibt es Lastenräder im Abo derzeit kaum. Ausnahme ist der Anbieter Green Moves, lokal begrenzt auf Düsseldorf, Bonn und Köln.
Sharing-Angebote finden sich dagegen bundesweit in vielen Städten - teilweise können die Lastenräder sogar kostenlos ausgeliehen werden, Spenden sind willkommen. Doch anders als bei allen anderen Anschaffungsmodellen muss man das Rad beim Sharing spätestens nach einigen Tagen wieder zurückgeben.
RECHTLICHES: Lastenräder sind Fahrräder, als Pedelecs sind sie ihnen rechtlich gleichgestellt. Damit müssen Lastenräder genauso auf verpflichtende Radwege wie andere Fahrräder auch. Eine Ausnahme gilt laut der Verbraucherorganisation Geld und Verbraucher (GVI) für mehrspurige Lastenräder - da diese oft breiter sind. Sie dürfen auf die Straße ausweichen, wenn sie auf dem Radweg andere Verkehrsteilnehmer behindern.
Beim Thema Parken gilt: «Parkflächen sind für alle Fahrzeuge da, auch für Fahrräder und Lastenräder», sagt Annika Meenken vom Verkehrsclub Deutschland (VCD). In Deutschland gebe es keine Parkflächen, die exklusiv dem Auto vorbehalten seien.
Das Abstellen am Fahrbahnrand oder auf markierten Stellplätzen ist damit grundsätzlich erlaubt, wenn es auf dem Gehweg zu eng werden sollte - es sei denn, Plätze sind durch Beschilderung bestimmten Fahrzeugarten vorbehalten. Das Abstellen dort sei «jedoch wenig attraktiv, weil die Räder dort nicht angeschlossen werden und somit leicht Beute von Dieben werden können», sagt Filippek. Und es gibt eine weitere, praxisferne Einschränkung: Am Fahrbahnrand müssen Fahrräder im Gegensatz zu Autos bei Dunkelheit beleuchtet werden oder mit einer Parkwarntafel ausgestattet werden.
Auch bei der Mitnahme von Kindern gelten Regeln: Wer das Bike führt, muss dazu mindestens 16 Jahre alt sein. Die Straßenverkehrsordnung (StVO) schreibt vor, dass der mitfahrende Nachwuchs nicht älter als 7 Jahre alt sein darf. Allerdings können auch ältere Personen transportiert werden, wenn das Fahrrad oder Pedelec dafür gebaut und eingerichtet ist - das können zum Beispiel Longtail-Räder mit Sitzbänken sein. Sichergestellt muss in jedem Fall sein, dass «Radverkleidungen oder gleich wirksame Vorrichtungen» vorhanden sind, damit die Mitfahrenden vor den rotierenden Speichen geschützt sind.
© dpa-infocom, dpa:220603-99-538555/2 (Von Stefan Weißenborn, dpa)