Berlin/Flensburg. Lieferengpässe haben der Autoindustrie im Jahr 2021 schwer zugesetzt - der Boom bei Elektro-Fahrzeugen bleibt aber ungebrochen. Für Umwelt und Klima sind das nur bedingt gute Nachrichten.

Gut 2,62 Millionen Autos sind im vergangenen Jahr neu auf deutsche Straßen gekommen. Das waren noch einmal zehn Prozent weniger als im ohnehin schon schwachen Jahr 2020, wie aus den aktuellen Daten des Kraftfahrt-Bundesamts ( KBA ) hervorgeht, die das Amt am Mittwoch veröffentlicht hat.

Allein im jüngsten Dezember lag der Rückgang bei den Neuzulassungen im Vergleich zum Vorjahresmonat demnach bei rund 27 Prozent.

"Statt einer Erholung nach dem Einbruch in der Corona-Krise sanken die Neuzulassungen weiter ab", teilte der Präsident des Verbands der Internationalen Kraftfahrzeughersteller (VDIK), Reinhard Zirpel, am Mittwoch mit. "Im Vergleich zum Vorkrisenjahr 2019 verzeichnen wir insgesamt eine Million Neuzulassungen weniger." Damals wurden in Deutschland rund 3,6 Millionen Pkw neu zugelassen.

Konzerne konnten nur teilweise liefern

Grund für den anhaltenden Rückgang waren vor allem Lieferengpässe, insbesondere bei Elektronikbauteilen wie Halbleitern. "Die Kunden wollten Gas geben und mehr Autos kaufen. Aber die Hersteller konnten wegen der Produktionsengpässe nur teilweise liefern", sagte Zirpel.

Dem Boom bei Elektroautos konnte der Rückgang allerdings kaum etwas anhaben. Von den 2,62 Millionen neuen Fahrzeugen waren laut KBA fast 356.000 vollelektrisch. Das waren rund 83 Prozent mehr als 2020 und entspricht einem Anteil an den Neuzulassungen von inzwischen rund 13,6 Prozent. Hybrid-Antriebe kamen laut KBA auf einen Anteil von fast 29 Prozent. Ihre Neuzulassungen legten um 43 Prozent auf fast 754.600 zu.

Kein Erfolg der Mobilitätswende

Die hohe Nachfrage nach Batteriefahrzeugen und die geringere Zahl an neuen Autos im vergangenen Jahr sind aus Sicht von Umweltschützern allerdings nur bedingt eine gute Nachricht fürs Klima. "Niemand darf die durch Chip-Mangel und wirtschaftliche Unsicherheiten gesunkene Zahl der Neuzulassungen mit einem Erfolg der Mobilitätswende verwechseln", betonte Greenpeace-Verkehrsexperte Tobias Austrup. "Obwohl die Zahl der E-Autos deutlich zulegt, läuft der Abschied vom klimaschädlichen Verbrenner noch längst nicht schnell genug."

Auch den hohen Zuwachs bei Hybrid-Fahrzeugen sieht Greenpeace kritisch. "Die meisten dieser Autos werden kaum elektrisch gefahren und stoßen entsprechend weit mehr Klimagase aus, als die Hersteller uns weis machen wollen", sagte Austrup.

Hinzu kommt, dass im vergangenen Jahr auch der Anteil von SUV an allen Neuzulassungen deutlich gestiegen ist. Mehr als jeder vierte Neuwagen war im vergangenen Jahr laut KBA ein SUV. Im Jahr davor war es noch mehr als jeder fünfte. Um die Nachfrage von Elektrowagen weiter anzufachen, will die neue Bundesregierung sich stärker auf die Förderung von E-Fahrzeugen und den Ausbau der Ladeinfrastruktur konzentrieren.

Auch Elektroautos kein Allheilmittel

Allerdings warnt das Umweltbundesamt (
UBA ) auch bei den reinen Elektroautos davor, diese als Allheilmittel zu betrachten. "Eine nachhaltige Verkehrswende gelingt nur, wenn der Fokus auch auf Vermeidung und Verlagerung gelegt wird", heißt es in einer früheren Untersuchung des UBA zur Umweltfreundlichkeit von Elektroautos. "Das entspricht auch dem Bild der lebenswerten Stadt mit einem attraktiven öffentlichen Personennahverkehr, mehr Rad- und Fußverkehr und kurzen Wegen zwischen Arbeiten, Wohnen und Versorgung."

Das UBA empfiehlt zum Erreichen der Klimaziele einen Bestand von rund 16 Millionen E-Fahrzeugen bis 2030. "Dazu gehört auch, den Umweltverbund zu stärken und so den Autoverkehr insgesamt zu reduzieren."

Der VDIK geht unterdessen davon aus, dass sich der Automarkt im gerade begonnenen Jahr erholen wird. Der Verband rechnete Anfang Dezember mit etwa drei Millionen neuen Pkw für das Jahr 2022, ein Plus von 15 Prozent im Vergleich zum vergangenen. Voraussetzung sei aber, dass sich die Lieferengpässe normalisierten und die sehr hohen Auftragsbestände bei den Herstellern abgearbeitet werden könnten.

Das Beratungsunternehmen EY hält das für unwahrscheinlich. "Der Chipmangel wird auch 2022 für erhebliche Produktionseinbußen sorgen; die erhoffte Markterholung rückt in immer weitere Ferne", teilte EY am Mittwoch auf Basis einer eigenen Analyse des deutschen Neuwagenmarktes mit.

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