Essen. Die G-Klasse von Mercedes-Benz feiert Geburtstag. 1979 erblickte sie als G-Modell das Licht der staubigen Pisten, dunklen Wälder und verschneiten Ebenen. 30 Jahre später steht das eckige Urvieh immer noch mit fast unveränderter Karosserie im Showroom.
Bevor die G-Klasse anno 1979 Premiere feierte, hielt der Mercedes-Händler lediglich das quasi-planwirtschaftliche Angebot von drei Baureihen (SL, S-Klasse und der E-Klassen-Vorgänger W 123) bereit. Seitdem wurde die Produktpalette des Sternen-Reichs vielmals vergrößert und erneuert, doch das eckige Urvieh steht 30 Jahre später immer noch mit fast unveränderter Karosserie im Showroom – und dank ebenso interessierter wie interessanter Käufergruppen dürfte dies wohl nicht das letzte Produktionsjubiläum bleiben.
Kunden der ersten Stunde waren Förster und Jäger, aber auch die Männer mit den etwas größeren Kalibern fanden auf Anhieb Gefallen an dem bei Magna in Österreich produzierten Offroader. Viele Nationen kauften das G-Modell für ihre Streitkräfte, darunter auch die Norweger, die bei ihrem Klima und ihren Bergen schon Wert auf verlässliches Material legen. Bei der Bundeswehr löste die G-Klasse unter der Bezeichnung „Wolf” ab 1989 zweifelhaftes Kampfgerät wie DKW Munga und VW Iltis ab. Deutsche Spezialeinheiten fahren brutal modifizierte „Wolf”-Versionen, mit Beifahrer-MG statt Handschuhfach.
Beliebt ist die G-Klasse auch im Vatikan
Beliebt ist die G-Klasse auch im Vatikan (das ursprüngliche Papamobil war eine kugelsichere Kombination aus G-Klasse und Käseglocke), im Nahen Osten und in den USA, wobei sich jenseits des großen Teiches eine unerwartete Fan-Gemeinde bildete. Rapper, die teure, große, schnelle Autos genauso lieben wie alles, was mit „G” wie Gangsta anfängt, schlossen die rollende Schrankwand aus Deutschland in ihr Herz. HipHop-Star Lil' Kim nennt ihren G 55 sogar explizit im Text von „Doing It Way Big” (2003) und verrät dem geneigten Hörer, dass acht Alpine-Lautspecher und maßgeschneiderte Felgen der südkalifornischen Firma HRE zu den Extras gehören.
Sollte jemand übrigens den G 55 mit derzeit werksseitigen 507 AMG-PS für zu schwachbrüstig halten, so kann er sich - natürlich - an Brabus wenden. Der Bottroper Tuner hat ein 451 000 Euro teures und 700 PS starkes G-schoss im Angebot, das den 2,5-Tonner in erstaunlichen 4,3 Sekunden auf 100 km/h befördert. Das Maximum an Endgeschwindigkeit (der Brabus riegelt bei 240 km/h ab) kitzelt die Laupheimer Firma Hamann heraus, deren G-Klassen-Umbau 261 km/h schafft.
Sondermodell "Pur" bietet begehbare Motorhaube
Das sind ziemlich genau 100 km/h mehr als das, was man im handelsüblichen G 320 CDI Automatik als sehr angenehmes Autobahn-Reisetempo erlebt. Im Stadtbetrieb hingegen kommt die DNS des reinrassigen Geländewagens durch, hier muss man in Kurven noch richtig lenken, und manchmal schaukelt's auch. Für Leute, denen die normale G-Klasse mit ihren umfangreichen Komfort-Angeboten (bis auf den Wählhebel war im Testwagen eigentlich alles beheizbar) aber schon zu domestiziert erscheint, hat Mercedes zum 30. Geburtstag ein bodenständiges Sondermodell „Pur” aufgelegt. Dieses kann man mit sinnvollen Ausstattungs-Merkmalen wie einer begehbaren Motorhaube und karierten 80er-Jahre-Sitzbezügen ausrüsten.
Wahrhaft beeindruckend ist die Übersicht nach vorne, die aufgesetzten Blinker dienen als eine Art Peilstab. Nach hinten wird's jedoch wegen des monströsen Reserveradbehälters finster: Die Rückfahrkamera zeigt ständig nur die Großaufnahme eines silberglänzenden Ufos, zum Glück ist aber auch ein rückwärtiger Abstandswarner an Bord.
Grüße von anderen G-Klasse-Nutzern
Über Stock und Stein kommt die G-Klasse wahrscheinlich weiter als die meisten Konkurrenten, und falls es doch mal steckenbleibt, bietet dieses Fahrzeug einen unschätzbaren Vorteil: Es ist so gemütlich und komfortabel ausgestattet, dass man in ihm problemlos eine Woche lang wohnen könnte (oder wie lange es auch immer dauert, bis der Bergepanzer kommt).
Erwähnenswert ist auch die Tatsache, dass man nicht nur vom Pontifex, sondern auch von anderen G-Klasse-Nutzern per Handzeichen gegrüßt wird. Dieses Privileg muss sich der Autofahrer sonst hart erarbeiten, indem er mit Käfern oder anderen Vertretern aussterbender Pkw-Gattungen durch den Verkehr der Neuzeit gurkt, hier wird's beim Neuwagen mitgeliefert. Ob sich der Jagdaufseher im Lodenmantel und die glamouröse Lil' Kim auch grüßen würden, wenn sie sich in ihren G-Klassen begegnen, sei allerdings dahingestellt.