Der Kangoo war immer anders. Anders als ein Berlingo, Caddy oder Combo, die bestenfalls in Prospekten angepriesen wurden - der bisherige Kangoo dagegen hatte sogar eigene Cartoons. Die werden dem neuen kaum gezeichnet werden.
Darin karikierte Bernd Pfarr den knubbeligen Renault wahlweise als Zwergwal, Gartenlaube oder Leuchtturm. Zärtlicher konnte man die unsichere Zuneigung, die Kunden beim Anblick des moppeligen Kastens überfiel, kaum ausdrücken. So machte der Kangoo Karriere als klassenloser Sympathie-Träger und gefühlter R4-Erbe, der allein in Deutschland über 150 000 Käufer fand.
Diesen heimlichen Kultstatus sollte man kennen, wenn am 18. Januar der neue Kangoo erscheint. Denn der Nachfolger macht so ziemlich alles besser, was dem Erstling immer vorzuwerfen war: Er hat mehr Platz, das bessere Fahrwerk, sichere Bremsen, stärkere Motoren und endlich auch mehr Luxus. Nur – ist das überhaupt noch ein Kangoo?
Optisch schon, weil Renaults Designer mit geschickter Hand ein paar vertraute Schlüsselreize gerettet haben: die Kulleraugen, die Bügelfalte in der Haube und auch den Buckel in der Dachlinie. Dass der Kangoo 18 Zentimeter Länge zugelegt hat, fällt weniger auf als die 16 Zentimeter in der Breite. Man hockt nicht mehr wie die Sardinen nebeneinander, sondern viel entspannter in einem weiten, gläsernen Wintergarten, mit reichlich Platz für Kinder und Gepäck (660 bis 2866 Liter).Immer wieder verblüffend, wie viel Raum aus der Grundfläche eines VW Golf zu zaubern ist.
Auch im neuen Kangoo schwenken die hohen Fronttüren weit auf, hinten gibt es praktische Schiebetüren, die zweite auf der linken Seite allerdings erst ab der Version Expression. Drinnen wartet eine praktische Neuheit: Die Rückbank fällt mit einem Handgriff zur fast ebenen Ladefläche zusammen, vorbei die Zeit böser Fummeleien.
Zudem scheint das Auto nur aus Ablagen zu bestehen: Sie warten in Handschuhfach, Mittelkonsole, Türfachern, Dachgalerie, höhlentiefen Armstützen, Klappfächern und neuerdings in Bodenklappen – macht rekordverdächtige 77 Liter Stauraum. Was Kinder in diesen Fächern alles unwiederbringlich verschwinden lassen, reicht für einen Flohmarkt-Stand beim nächsten Rote-Kreuz-Tag.
Den größten Schwenk vollzieht der Kangoo bei der Technik, denn unterm Blech steckt jetzt die Technik des Kompakt-Van Scénic. Weil die Räder in jede Richtung gut eine Handbreit auseinander rücken, steht der früher gerne kippelige Kasten nun eine ganze Klasse souveräner auf der Straße. Die Bremsen, beim Vorgänger böse kritisiert, sind ebenfalls gewachsen und sollten nun standfester zupacken. Doch der elektronische Rettungsanker ESP ist leider nicht serienmäßig an Bord, sondern nur für die stärkeren Motoren als 500 Euro teures Extra zu haben.
Aus dem Motorenangebot, das drei Diesel (68 bis 103 PS) sowie einen Benziner mit 106 PS umfasst, ist besonders der mittlere Diesel zu empfehlen. Seine 86 PS sollten es schon sein, weil der Kangoo satte 200 Kilo Gewicht zugelegt hat. Der moderne 1,5-Liter zieht auch bei voller Urlaubs-Beladung noch flott genug, wird aber erst ab April einen Rußfilter (als Option) bekommen.
Dass der Kangoo einer halbe Klasse höher gerutscht ist, zeigt schmerzhaft die neue Preisliste: Zwar kostet die nackte Basisversion 13 950 Euro, aber die fahren ohnehin nur Postboten oder der Schlüssel-Notdienst. Ein halbwegs vernünftiger Kangoo beginnt bei 17000 Euro mit 86 PS und zwei Schiebetüren – damit rund 2000 Euro über dem alten. Der wird mit zwei Basismotoren weiter gebaut und reift auf seine alten Tage zum Original. Und zum Schnäppchen, denn ab Januar senkt Renault die Preise für den Oldie nochmals um 1500 Euro. Was nichts daran ändert, dass Renault sein Revier der günstigen Raumwunder still und leise aufgibt. Für den neuen Kangoo werden sie sicher keine Cartoons zeichnen.
Mehr Größe, weniger Kult
