München. Dieses Auto polarisiert. Denn der BMW X6 ist eine Mischung aus Coupé und SUV. Es gilt wohl die These des Kabarettisten Richard Rogler: Kann man machen, muss man aber nicht.
Für die einen ist das Design des BMW X6 zum Niederknien. Die anderen wählen angesichts der gebotenen Optik eher die Kehrseite. Doch nun droht er zu einem blechgewordenen Anachronismus zu werden. Bedeutende Verkaufszahlen sind nicht zu erwarten, zumindest hierzulande. Auf dem nordamerikanischen Markt fuhr der X6 im vergangenen Jahr immerhin ein Produktionsplus um 8,2 Prozent ein. Doch auch dort stehen inzwischen die Zeichen auf Sturm. All dessen ungeachtet, liefert der X6 vor allem eins: Freude an souveränem Fahren. Auf seiner Habenseite kann er einen fabelhaften, höchst kultivierten Dieselmotor verbuchen und ausgesprochen sichere Fahreigenschaften samt diverser technischer Highlights.
Die zu erfahren bedarf es allerdings einiger Mühen. So gilt es zum Einsteigen auf die vorderen Sitze extrem hohe Schweller zu überwinden. Zeitgleich sollte der Kopf eingezogen werden, denn die weit nach hinten gezogene Frontscheibe und die entsprechend niedrige A-Säule lauern nur darauf, dem einsteigenden Menschen eine saftige Kopfnuss zu verpassen. Hat man schließlich die niedrigen Sitze erreicht, darf man sich ausgeklügelter Funktionalität, gelungener Materialwahl sowie makelloser Verarbeitung erfreuen. Mit entsprechenden Aufpreisen lässt sich der X6 fast wunschlos üppig garnieren, etwa mit einem angenehmen Head-up-Display, das wichtige Infos ins Sichtfeld des Fahrers projiziert oder einem sehr guten Navigationssystem (Kostenpunkt: 3180 Euro).
Kaum Orientierung nach hinten möglich
Die beiden tadellosen Frontsitze sind eindeutig die besseren Plätze. Hinten bietet sich auf den beiden Einzelsitzen deutlich weniger Raumkomfort. Die Beinfreiheit ist nicht so üppig wie die Größe des Fahrzeugs - fast 4,90 Meter - vermuten lässt. Das stark abfallende Dach schränkt die Kopfhöhe fühlbar ein. Der Abstand der Sitzfläche vom Boden ist recht gering. Nicht nur Langbeinige müssen mit angezogenen Knien und ohne Schenkelauflage Vorlieb nehmen.
Die flache Dachkonstruktion verursacht einen weiteren Minuspunkt. Die Orientierung nach hinten fällt höchst spärlich aus, die optionale Rückfahrkamera wird praktisch zu einem Muss. Doch auch nach vorne lässt sich das Geschehen unmittelbar vor dem Bug kaum einschätzen. In Verbindung mit dem riesigen Wendekreis von beinahe 13 Metern wird Handlichkeit unter diesen Bedingungen zu einem Fremdwort. Als ausgesprochen benutzerunfreundlich erweist sich zudem die hohe Ladekante des großen Gepäckabteils. Einen Wasserkasten gilt es beispielsweise gut 90 Zentimeter hochzuwuchten.
Freude im Fahrbetrieb
Weitaus mehr Freude bereitet der Wagen, wenn es um den reinen Fahrbetrieb geht. Hier absolviert der X6 das Kapitel Fahrdynamik mit limousinenhafter BMW-Charakteristik. Zwar kann er seinen hohen Schwerpunkt nicht gänzlich verleugnen. Doch dank solider Grundabstimmung und elektronischer Helfer bietet der X6 hohe Sicherheitsmargen selbst bei betont zügiger Fahrweise. In Kurven bleibt er neutral und kennt keine Traktionsprobleme. Maßgeblichen Anteil an dem hohen Fahrsicherheitsniveau hat die serienmäßige Dynamic Performance Control, eine Zusatzfunktion zum permanenten Allradantrieb, welche die Aufteilung der Antriebskräfte auf die Hinterräder optimiert. ESP ist sowieso an Bord.
Die Härtefälle des öffentlichen Straßenbaus federt der X6 bei aller Sportlichkeit geschmeidig weg. Dazu trägt die serienmäßige Luftfederung an der Hinterachse ihren Teil bei. Die Bremsen agieren rundum tadelfrei, die Lenkung ebenfalls. Alles in allem ein Fahrgefühl, dass man diesem Koloss nicht zugetraut hätte.
Der aus dem 5er bereits bekannte Diesel (235 PS) sorgt für Fahrleistungen, die in allen Lebenslagen mehr als ausreichen. Untermalt wird das motorische Vergnügen von einer zurückhaltenden Akustik, die an einen dicken Bootsmotor erinnert. Um den werksseitig ausgewiesenen Durchschnittsverbrauch (8,2 Liter) auch nur näherungsweise zu erreichen, bedarf es allerdings hoher charakterlicher Stärke und des unbedingten Willens, den Gasfuß zu zügeln. Ob der hohe Verbrauch Fahrer abschreckt, die das Auto grundsätzlich gut finden, darf bezweifelt werden. Im Übrigen gilt wohl die These des Kabarettisten Richard Rogler: Kann man machen, muss man aber nicht. (ddp)
Visitenkarte: BMW X6 xDrive30d*
- Hersteller: BMW X6
- Modell: xDrive 30d
- Motor: Sechs-Zylinder-Diesel
- Hubraum: 2993 ccm
- Leistung: 235 PS/173 kW
- Drehmoment: 520 Nm bei 2000 U/min
- Von 0 auf 100 km/h: 8,0 sek.
- Höchstgeschw.: 210 km/h
- Verbrauch: 8,2 l Diesel/100 km
- CO2-Ausstoß: 217 g/km
- Kofferraum: 405 Liter
- Versicherung: HP: 24 / TK: 30 / VK: 25
- Grundpreis: 55 800 Euro
- Preis der Testversion: 81 857 Euro
*Herstellerangaben