Berlin.

Je verzweifelter die Lage in den von Ebola betroffenen Gebieten ist, desto erbitterter wird über die richtige Strategie für die Bekämpfung der Epidemie gestritten. Einig sind sich die Experten derzeit nur in einem Punkt: Die internationale Unterstützung für Guinea, Liberia und Sierra Leone war zu gering und sie kam zu spät.

„Wir hätten das aufhalten können“, stellt das Magazin „Foreign Policy“ fest. Der Weltgesundheitsorganisation (WHO) habe es jedoch an Kapazitäten und Geld gefehlt, um bereits in den ersten Monaten der Krise richtig reagieren zu können. Viele Regierungen hätten das Problem zudem in den ersten Monaten unterschätzt, weshalb die Infektionsraten zuletzt stark in die Höhe geschnellt seien. 2400 Todesfälle hat die WHO bereits registriert. Konservative Schätzungen halten bis zum Ende der Epidemie mehr als 20 000 Tote für möglich.

US-Präsident Barack Obama schätzt die Lage jetzt – mehr als neun Monate nach dem vermutlich ersten Ebola-Fall - zumindest ernst genug ein, um das Militär zu involvieren. Die US-Armee soll schnell in Gang gesetzt werden. Das militärische Personal soll helfen, in Westafrika Quarantäne-Stationen aufzubauen und internationale Helfer zu schützen. Denn der US-Präsident befürchtet, dass das tödliche Virus sonst mutieren und sich auch in anderen Teilen der Welt ausbreiten könnte. Auch die Europäische Union hat die Alarmsirenen vernommen. Sie hat ihre Hilfe für Guinea, Liberia, Sierra Leone und Nigeria in der vergangenen Woche von 11,9 Millionen Euro auf 144 Millionen Euro aufgestockt.

Sierra Leone hat für die kommende Woche eine dreitätige Ausgangssperre angekündigt, um landesweit in jedem Haus nach Ebola-Infizierten zu suchen. Die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen, die in dieser Krise an vorderster Front kämpft und schon seit Monaten davor warnt, die Epidemie zu unterschätzen, hält das allerdings für kontraproduktiv. Sie befürchtet, Familien könnten kranke Angehörige verstecken, damit diese nicht zwangsweise in Quarantäne-Stationen gebracht würden.

Gesundheitsstationen fehlen

Jochen Moninger, der als Direktor der Welthungerhilfe in Freetown arbeitet, befürchtet, dass die Ausgangssperre ohnehin nur begrenzte Ergebnisse bringen kann. Denn wenn bei dieser Kampagne Hunderte von Verdachtsfällen aufgespürt werden sollten, stehe die Regierung vor einem neuen Problem: Es gibt in Sierra Leone bisher nicht genügend Gesundheitsstationen und Krankenpfleger, um diese Menschen so zu behandeln, dass das Infektionsrisiko für das medizinische Personal begrenzt bleibt.

Das einheimische medizinische Personal in den betroffenen Ländern ist mit der Ebola-Krise ohnehin hoffnungslos überfordert. Ausländische Helfer zu rekrutieren, ist wegen des Risikos schwierig.

Auch die Versorgungslage bereitet den Regierungen der Region, die politische Unruhen fürchten, Sorge. Anders als in Liberia, wo bereits jetzt deutliche Preissteigerungen bei einigen Nahrungsmitteln zu beobachten sind, gibt es in Sierra Leone noch keine Engpässe. „Die Regierung schafft es noch, ihre Reislaster durch die Absperrungen zu bringen, allerdings gibt es jetzt erste Anzeichen, dass Nahrungsmittelhändler - die meisten von ihnen sind gebürtige Inder und Libanesen - die Quarantäne-Gebiete verlassen“, berichtet Welthungerhilfe-Direktor Moninger.

Nahrungsmittelhilfe notwendig

Langfristig werden jedoch nach Ansicht von Experten die Menschen in allen Ebola-Gebieten auf Nahrungsmittelhilfe angewiesen sein. Denn, um die Ausbreitung des Virus zu verhindern, wurden vielerorts Versammlungsverbote erlassen. Die Bauern, die sich gegenseitig sonst reihum bei der Ernte helfen, können nicht zusammenkommen. Viele Felder werden deshalb im Moment nicht bestellt.