Essen. „.

Und vergib uns unsere Schuld“, heißt es im Vaterunser. Ob der liebe Herrgott auch solches verzeiht? Ein wertvolles Kreuz aus der Kapelle, zwei goldene Kelche aus einer Kirche: Innerhalb weniger Wochen wurde jüngst in zwei Essener Gotteshäuser eingebrochen. Und nicht nur hier schlagen Diebe zu, auch andernorts machen sie vor geweihten Räumen nicht halt.

Ein paar Beispiele: Gleich viermal innerhalb eines Jahres versuchten sich Einbrecher am Jugendtreff einer evangelischen Kirche in Gladbeck. Dreimal waren sie erfolgreich, nahmen unter anderem wertvolle technische Geräte mit. In einer evangelischen Gemeinde in Bochum verschwand vor gut einem Jahr gar ein ganzer Tresor – 300 Kilo schwer das Teil. In Herne wurde eine 280 Jahre alte Bibel gestohlen. Und immer wieder machen sich Metalldiebe sogar an den Kupferrinnen von Kirchen zu schaffen. Heilig’s Blechle!

Es scheint, als häuften sich die Vorfälle. Verlieren die Menschen den letzten Respekt? „Einbrüche in Kirchen hat es zu allen Zeiten gegeben. Ich würde nicht sagen, dass das ein neues Phänomen ist“, sagt Monsignore Thomas Zander, Dompropst im Bistum Essen. Zahlen des Landeskriminalamts (LKA) NRW bestätigen die Annahme des Geistlichen, zumindest für die vergangenen fünf Jahre.

Das LKA hat in NRW Einbruchsdelikte seit 2010 nach dem Schlagwort „Tatort Kirche“ ausgewertet. Die Fallzahlen der voll­endeten Einbrüche schwanken zwischen 1055 (im Jahr 2013) und 1313 (2012). Zusätzlich zählte die Behörde jährlich zwischen 225 und 260 (ebenfalls 2012) Versuche. Weiter zurückliegende Zahlen liegen dem LKA allerdings nicht vor. Eine Prognose sei ebenfalls kaum möglich. Die Zahlen für 2014 bislang: 671 vollendete Taten und 150 Versuche. „Ich gehe davon aus, dass es auch dieses Jahr wieder grob um die 1000 Fälle geben wird, aber eigentlich ist das Kaffeesatzleserei“, sagt Heidi Conzen, Sprecherin des LKA.

Geld aus Opferstöcken, Laptops aus der Sakristei oder gar eine Brille – die Diebe machen ganz unterschiedliche Beute. „Am häufigsten wurden in den vergangenen fünf Jahren Taschen und Geldbörsen gestohlen“, sagt Conzen. 931 solcher Fälle zählt das LKA. Es folgen Metalle (903 Fälle) und Bargeld (632 Fälle). Mit 180 Fällen ist der Anteil der Diebstähle sakraler Gegenstände relativ gering.

Der Verlust ist dennoch häufig groß, auch wenn der Materialwert im Gegensatz zum kunsthistorischen Wert oft marginal ist. Auch der Essener Dom ist bereits heimgesucht worden. „2008 war das, im Sommer, am Abend des Endspiels der Fußball-Europameisterschaft“, erinnert sich Dompropst Zander. Damals entwendeten die Täter ein Reliquienkästchen aus dem Hauptaltar.

„Das Kästchen war sehr kunstvoll verarbeitet, aus Elfenbein und mit Perlenbesatz“, sagt Dr. Birgitta Falk, Leiterin des Domschatzes. „Meist handeln die Diebe aus Unkenntnis“, vermutet sie. „In der Regel sind die Gegenstände mit Halbedelsteinen geschmückt. Aber die Leute glauben, sie könnten sie zu Geld machen, dabei sind sie relativ wertlos und obendrein meist unverkäuflich.“

Schützen können sich Kirchen nur bedingt. Sakrale Gegenstände etwa sollen für alle Besucher zu sehen sein. „Allerdings schlagen da zwei Herzen in meiner Brust“, sagt Falk. „Als gläubige Katholikin finde ich das großartig. Als Kunsthistorikerin würde ich die Gegenstände am liebsten wegtun, um sie zu schützen.“ Auch die Versicherungsprämien für Kunstwerke seien für viele Gemeinden schlicht zu hoch. „Zumal wir es ja häufig mit Unikaten zu tun haben. Wenn die weg sind, sind sie eben weg.“