Duisburg. .

Etwas verloren stehen die beiden im Eingang der Rheinhausen-Halle, Edith Jakubassa und Friedhelm Scharff. Sie wissen, dass dies eine Pressekonferenz wird, und dass sie nicht in den Saal dürfen. Aber „man will doch alles wissen!“, erklärt sie, und er sagt in die Fernsehkamera: „Ich erwarte nicht viel. Mein Glaube an Gerechtigkeit ist gestört.“ Vor dreieinhalb Jahren verlor das Paar seine Tochter Marina. Heute will die Staatsanwaltschaft die Angeklagten benennen. Jene, die sie strafrechtlich verantwortlich macht. Denn für moralische Schuld sind Juristen nicht zuständig.

Zehn Angeklagte

Und genau das formuliert auch Oberstaatsanwalt Horst Bien noch einmal zu Beginn seiner Erklärung. Ganz als ob er sich und seine Behörde rechtfertigen wollte, gegen die Kritik, man ließe die Großen laufen, ziehe vor allem Subalterne zur Rechenschaft.

Den vier Mitarbeitern von Lopavent jedenfalls wirft die Staatsanwaltschaft vor, sie hätten erkennen müssen, dass ihr Zu- und Abgangssystem nicht geeignet gewesen sei, die zu erwartenden Besucherströme auf der Loveparade aufzunehmen. Und auch die sechs Beschuldigten des Bauamtes, an der Spitze ihr damaliger Dezernent Jürgen Dressler, hätten diese Planungsfehler sehen können, ja müssen und deshalb keine Genehmigung erteilen dürfen.

Zehn Angeklagte sind das, gegen sechs weitere Beschuldigte hat die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen eingestellt. Fast immer sind es dieselben Gründe: Sie seien nicht verantwortlich gewesen, hätten keinen Einblick in die kompletten Unterlagen gehabt, hätten den zuständigen Leuten und ihrer Kompetenz vertrauen können.

Das gelte für den damaligen Oberbürgermeister Adolf Sauerland (CDU) wie für Lopavent-Chef Rainer Schaller, das gelte aber auch für Leute, die näher am Geschehen gewesen seien wie etwa Sicherheits-Dezernent Wolfgang Rabe, der nicht weniger als städtischer Koordinator der Loveparade gewesen ist. Man wisse doch, dass er Druck gemacht habe gegen die Widerstände einzelner Mitarbeiter der Verwaltung, halten Journalisten den Staatsanwälten entgegen. „Ja“, erklärt Oberstaatsanwalt Horst Bien, „Rabe hatte als Koordinator Einfluss auf die Planungen insgesamt. Für die Baugenehmigung war er aber nicht zuständig, und er hatte auch nicht die Pflicht, diese zu überprüfen“.

Das Warten hat endlich ein Ende

Auch Crowdmanager Carsten W. werde nicht angeklagt. Er habe keinerlei Einblicke in die Planungsunterlagen gehabt. Und der Polizei, so Bien, bescheinigt der englische Panikforscher Stills, das tödliche Geschehen hätte von ihr nicht abgewendet werden können.

Der nun angeklagte Baudezernent Jürgen Dressler dagegen habe zwar in einem Vermerk jede Verantwortung für die fragwürdige Planung abgelehnt, sich dann aber „nach Gesprächen innerhalb der Verwaltung nicht mehr weiter eingemischt“, so Bien.

Nach dreieinhalb Jahren hat das Warten für Opfer und Angehörige ein Ende. Endlich. „Das ist für sie eine große Erleichterung“, erklärt ihr Anwalt Julius Reiter. Doch Reiter bezweifelt, dass es im Prozess wirklich gelingen kann, die Katastrophe und die Verantwortung der Institutionen aufzuarbeiten: „Es werden nur Einzelne belangt und nicht die Wichtigsten.“