Worte können wie Schall und Rauch sein. Aber gelegentlich setzen sich Begriffe in den Köpfen der Menschen fest, die sie mit bestimmten Vorstellungen verbinden. Sind diese falsch, ist es schlecht. So könnte es mit dem Wort Nachhaltigkeit geschehen. Das wäre gerade für die Energiewende fatal. Falsch verstandene Nachhaltigkeit könnte ihr schaden.

Nachhaltigkeit verkommt zu einem Modewort, das den Kern des Begriffs zertrümmert. Gesellschaftspolitische Träumer und wirtschaftspolitisch Einäugige verkürzen sie auf ihren ökologischen Aspekt. Und das nicht ohne Erfolg. Der Kampf um die Deutungshoheit von Nachhaltigkeit geht in eine entscheidende Phase. Deshalb ist es höchste Eisenbahn, das magische Dreieck „Ökonomisch-sozial-ökologisch“ wieder neu zu schmieden. Alle Seiten dieses Dreiecks sind gleich lang. Darauf müssen wir achten, gerade auch bei der Energiewende. Politik darf die Ökologie nicht priorisieren. Meine These: Wenn wir der Ökologie politisch den Vorrang einräumen, untergraben wir langfristig die ökonomische und soziale Stabilität.

Unsere wirtschaftspolitischen Ziele stehen in engem Verhältnis zur Arbeit und zur Leistung, ohne die es keinen allgemeinen Wohlstand gibt. Wohlstand wiederum ist Grundlage des Sozialstaats. Nachhaltige Entwicklung bedeutet langfristiges und erfolgreiches Arbeiten, sie zielt auf Sicherung und Schaffung von guten und wettbewerbsfähigen Arbeitsplätzen – nicht auf den billigsten, sondern den besten Standort.

Moderne Industrie und ökologische Nachhaltigkeit ist kein natürlicher Widerspruch. Nehmen wir die von Industriegegnern gern bekämpfte Chemie. Sie schont Ressourcen mit beträchtlichem Erfolg. So hat sie den Energieverbrauch vom Wachstum der Produktion entkoppelt: Die Produktion stieg seit 1990 um 58 Prozent, während der Energieeinsatz um 20 Prozent sank. Gleichzeitig verringerte die Chemie den CO2-Ausstoß um die Hälfte – und baute ihre gute Position auf dem Weltmarkt aus. Deshalb ist klar: Es liegt im ökonomischen Interesse eines Unternehmens, effizient mit den Ressourcen umzugehen und ökologisch zu wirtschaften. Doch wir dürfen das Kind nicht mit dem Bade ausschütten und die Belastbarkeit der Industrie nicht durch übertriebene Ökologie testen. Denn wir können uns eine De-Industrialisierung nicht leisten. Deshalb pochen wir gleichrangig auf die ökonomische und soziale Dimension.

Blue Economy

Ein Schlüssel zum Erfolg auf Dauer kann die Blue Economy sein. Dahinter steht ein Konzept, das die Ökosysteme schützt und zugleich neue Arbeitsplätze schafft. Blue Economy versteht Emissionen und Abfälle als fehlgeleitete Ressourcen. Sie propagiert eine Wirtschaftsweise, die ihre sozialen, ökonomischen und ökologischen Grundlagen immer wieder neu reproduziert.

Die Blue Economy entspricht nicht dem romantischen Bild kleiner regionaler Selbstversorgergemeinschaften, in denen es nur selbstlose und gemeinwohlorientierte Unternehmen gibt. Es akzeptiert, dass unsere Wirtschaft komplex, arbeitsteilig und international verflochten ist. Mikrotechnologie bietet dabei neue Spielräume für große Ressourcen-Effizienz. Dazu gehört, dass Wirtschaft und Industrie neue Geschäftsmodelle entwerfen, in denen Dienstleistungen in den Vordergrund rücken. Der neue Fortschritt führt von produktionsorientierten Dienstleistungen hin zu dienstleistungsorientierter Produktion.

Stabilität nicht gefährden

Diesen Weg geht selbstverständlich auch die Energiewirtschaft. Aber wir dürfen – wie gesagt – unsere wirtschaftliche Stabilität nicht gefährden. Ich kann nur wiederholen: Die Energiewende wird nur gelingen, wenn sie von Gas- und Kohlekraftwerken gestützt und stabilisiert wird. Wind braucht Kohle – und auch Karbonfasern, Stahl, Kupfer, Gusseisen, Beton, Epoxidharz, Lacke und, nicht zu vergessen, die Metalle der Seltenen Erden.

Der Umbau unseres Energiesystems befindet sich in einer entscheidenden Phase. Der Ausbau erneuerbarer Energien schreitet schneller voran als geplant. Heute stammt bereits ein Viertel der Stromversorgung in Deutschland aus erneuerbaren Energien. Diese Entwicklung ist grundsätzlich sehr erfreulich. Denn sie spiegelt den gesamtgesellschaftlichen Konsens wider, die Energieversorgung auf eine möglichst breite Basis aus erneuerbaren Energien zu stellen. Die Landesregierung steht unverändert hinter dieser ambitionierten Zielsetzung.

Denn es liegt auf der Hand, dass eine durch erneuerbare Energien geprägte Energieversorgung – wenn sie erst einmal realisiert ist – nicht nur ökologisch, sondern auch ökonomisch langfristig sinnvoll ist.

Allerdings liegt ein langer Weg vor uns. Denn es geht um nicht weniger, als ein bewährtes System nach und nach in ein neues funktionierendes System zu überführen. Dabei ist es wichtig, den Übergang auf das energiepolitische Zieldreieck auszurichten. Energie muss sicher, bezahlbar und umweltverträglich bleiben.

Im Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung ist ein fester Ausbaukorridor für die Erneuerbaren Energien von 40 bis 45 Prozent bis 2025 und 55 bis 60 Prozent bis 2035 vorgesehen. Das ist ein wichtiges Ergebnis, da der bisherige planlose Ausbau der Erneuerbaren Energien eine trübe Kehrseite hatte. Wegen der garantierten Vergütung von Strom aus erneuerbaren Energien steigt die EEG-Umlage – und damit klettern die Kosten für Stromverbraucher nach oben. Es trifft Unternehmen und private Haushalte.

Steigende Energiepreise können den internationalen Wettbewerb verzerren. Sie können die Produktion in Nordrhein-Westfalen unrentabel machen und damit Arbeitsplätze gefährden. Dies wollen wir mit aller Macht verhindern. Der Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung sieht vor, das EEG bis Ostern 2014 zu reformieren und bis Sommer 2014 zu verabschieden.

Der Einspeisevorrang der Erneuerbaren Energien setzt die konventionellen Kraftwerke zunehmend unter Druck. Ihre Rentabilität sinkt, gerät sogar ins Minus. Auch hier greift der Koalitionsvertrag ein: Die neue Bundesregierung legt einen Ausbaukorridor für Erneuerbare Energien fest und gibt Betreibern konventioneller Kraftwerke endlich wieder mehr Planungssicherheit. Die ist bitter nötig, denn die Kraftwerke müssen in immer weniger Betriebsstunden ihre Kosten erwirtschaften. Ist dies nicht möglich, dann sind Kraftwerksstilllegungen die Folge – was wiederum fatale Auswirkungen auf die Versorgungssicherheit hätte. Strom rund um die Uhr ist alternativlos für ein Indus­trieland wie Nordrhein-Westfalen.