Essen. Eine Broschüre des Jobcenters Pinneberg sorgt für Wirbel. Wenig Fleisch essen, Leitungswasser trinken und ihre alten Möbel verkaufen – das sind die „Tipps“ für Hartz-IV-Empfänger und sorgen für Diskussionen unter unseren Lesern: Sind solche Vorschläge diskriminierend und respektlos oder eine sinnvolle Hilfe?
Hartz-IV-Empfänger sollen Leitungswasser trinken, ihre alten Möbel im Internet verkaufen und weniger Fleisch essen. Das empfiehlt das Jobcenter Pinneberg, nördwestlich von Hamburg gelegen, in ihrem neue„Arbeitslosengeld-II-Ratgeber“. Der Vizechef der Bundesagentur für Arbeit, Heinrich Alt, hat die Broschüre mit den Spartricks nun auf Twitter gelobt und erntet dafür heftige Kritik.
Viele unserer Leser sind empört über die "Spar-Tipps" in der Broschüre des Jobcenters Pinneberg. So schreibt Nutzer Ismet: „Ist schon starker Tobak was da aufgelistet ist. (…) Das hier "Spar-ipps" gegeben werden ist ja soweit okay, aber nicht in dem Maße, dass man da etwas hinein interpretiert und die Lebensgewohnheiten der Menschen dadurch versucht zu ändern oder gar zu Leiten. Anstatt die Erwerbslosigkeit zu bekämpfen, werden lieber die bedürftigen Bekämpft.“
"Eine Unverschämtheit sondergleichen"
Auch User jessiesrevenge ist empört: „Das ist eine Unverschämtheit sondergleichen. Wir sind doch nicht mehr im Mittelalter wo der Pöbel kein Wild mehr erlegen durfte, da es nur dem Adel zustand ein Hirsch zu erlegen.“ Sparen ist mit ALG II zwar Pflicht, findet Nutzer Danzel, aber die vorgeschlagenen Kriterien erscheinen ihm nicht besonders sinnvoll: „Ich soll alte Möbel verkaufen? Okay ich habe keine und nun? Außerdem soll es Menschen geben, die haben Eisenmangel (viel in Fleisch).“
"Gut gemeint ist nicht gut gemacht"
"Gut gemeint" ist eben
anders als "Gut gemacht", kommentiert Leser rapado. Denn "dieser Ratgeber wirkt letztlich einfach nur
zynisch, zumal ja bekannt ist, dass der AlG II Regelsatz nicht für eine
halbwegs gesunde Ernährung ausreicht.“ Gerade angesichts der Milliardenausgaben der Politiker hält User meinemeinung47
"diese Hatz auf Hartz IV-Empfänger einfach nur widerlich. Vor allem wenn unsere
Politiker auf der andern Seite Milliarden verschwenden in Bauten wie Flughafen
Berlin, Stuttgart 21(…)Von den Milliardenhilfen für marode Banken (…) sowie den
Hilfen für Griechenland, Spanien usw. mal ganz abgesehen.“
Die Broschüre sei völliger Unsinn, urteilt Leser titl. Denn „wer nicht vollkommen verblödet ist, kommt auch von alleine auf solche Ideen. (…) Etwas lebensfremd ist allerdings der Tipp mit dem fleischlosen Essen.(...)Fleisch ist oft deutlich billiger als die Menge Gemüse, die für eine ähnliche Sättigung notwendig ist.“
Dass Gemüse im Verhältnis zu Fleisch relativ teuer ist, betont auch User Applebeach4Ever:„Was für eine Person kann so etwas vorschlagen oder auch noch gut finden? Erstens mal: Wenn ich anfange mein Mobiliar zu verkaufen, stellt die Arge mir das als Einkommen hin und rechnet es an. Zweitens: Mittlerweile ist es billiger sieben Tage lang Frikadellen oder Gulasch zu machen als sechs Tage Gemüse.“
"Mineralwasser ist ein typisch deutscher Mythos"
In der Broschüre wird empfohlen, Leitungswasser statt Mineralflaschen zu trinken. Den Vorschlag findet Leser Juelicher keineswegs diskriminierend, sondern durchaus sinnvoll: „Einige gut gemeinte Tipps, wo man mit niedrigem Einkommen Einsparungen erreichen kann, sind weder kritikwürdig noch diskriminierend. Mineralwasser ist ein typisch deutscher Mythos. Immer wieder haben Tests eindeutig belegt, dass Trinkwasser den meisten Menschen fast immer besser schmeckt als Mineralwasser. Trinkwasser ist besser kontrolliert als Mineralwasser, die Grenzwerte sind deutlich strenger.“
Leitungswasser sei außerdem besser für die Umwelt, betont CaptainFuture: „Nicht nur für Harz4er ist es auf jeden Fall umweltfreundlicher als normales Wasser zu überhöhten Preisen in Plastikflaschen aus Frankreich zu importieren."Anders sieht das Leser BigLA: „Tja, mag sein dass Leitungswasser "sauber" ist, doch viele denken nicht an die Rohre in den Häusern und mehrheitlich Leben Hartz IV Bezieher sicher nicht in frisch renovierten oder gar neu gebauten Häusern..“
Dass Leitungswasser nicht unbedingt einen finanziellen Vorteil bedeute muss,
erläutert Nutzer nochmalnocheindirk : „Wenn eine große Familie sehr viel
Leitungswasser trinkt geht das wieder zu lasten der Kommunen.“ Auch Leser rapo hat Bedenken: „So wirklich gut ist der
Ratschlag mit dem Leitungswasser zumindest in NRW nicht. Da braucht man nur an
die PFT- Belastung in vielen Bereichen zu denken.“
"Aufmachung als Comic ist diskriminierend "
Dass die Aufmachung als Comic diskriminierend aufgenommen werden
kann, betont Leser Corvus : „Es
ist zwar nett, das die Tipps geben wollen. Aber die Aufmachung der Broschüre
kann echt als Diskriminierung angesehen werden, da hat jemand nicht nachgedacht.“ Das sieht
Leser xxyz anders: „Aber
was ist daran eine Diskriminierung? Schüler sind
heute nur noch selten in der Lage Texte zu verstehen, und viele Menschen haben
Probleme mit der deutschen Sprache.“
Die Umsetzung als Comic findet Nutzer Mr.Q zwar daneben, er hält die Reaktionen, die von Diskriminierung oder Verhöhnung sprechen, aber für überzogen:" Das sind gut gemeinte Tipps und keine Vorschriften. Niemand ist gezwungen, sie zu befolgen. Aber vielleicht erhält der ein oder andere dadurch eine kleine Anregung und ist sogar froh darüber. Man muss so etwas nicht immer gleich pauschal verurteilen.“
"Die Broschüre ist völlig ok"
Auch andere Leser verstehen die die ganze Aufregung um die
„Spar-Tipps“ der Agentur für Arbeit nicht verstehen. So findet User CarlosEsteban
die Vorschläge angemessen und notwendig: „Ich erkenne in dieser Broschüre nichts, aber auch
gar nichts, was diskriminierend ist. Einen Großteil der Tipps beherzigen
intelligente Familien, die auch ohne HartzIV ein wenig auf ihr Geld schauen
müssen.“