Dakar. .

Der Schreck stand dem staubbedeckten Textilarbeiter noch im Gesicht geschrieben, als er einem Fernsehsender in Bangladesch die Sekunden beschrieb, in denen er fast jede Hoffnung verlor. „Wir haben gearbeitet, wie es angeordnet wurde“, sagte er. „Plötzlich gab es ein lautes Geräusch und alles fiel zusammen.“

Mit zwei Kollegen grub er sich aus dem Schutt des achtstöckigen Gebäudes „Rana Plaza“ im Stadtviertel Savar von Dhaka. „Aus meiner Abteilung werden noch 30 Leute vermisst“, sagte er. Die Aussage lässt das Schlimmste befürchten. Mindestens 123 Tote und etwa 700 Verletzte sollen bis zum Mittwochabend gezählt worden sein. Die Zahl der Vermissten ist unbekannt.

Gestern wiederholte sich im Savar-Stadtteil das Bild, das man von katastrophalen Fabrikbränden in Bangladesch kennt. In Minutenschnelle versammelten sich Tausende von verzweifelten Verwandten und Freunden der Arbeiter, die im Rana Plaza arbeiteten. Mit bloßen Händen buddelten sie im Schutt, in der Hoffnung, Überlebende zu finden. Die Verwandten der Arbeiter wissen, dass jede Sekunde zählt. Niemand weiß, wie viele Opfer noch unter den Gebäuderesten begraben sind, deren tonnenschwere Etagenböden sich – wie nach einem Erdbeben – wie riesige Betonpfannkuchen aufeinander gestapelt haben.

Normalerweise arbeiten in dem Gebäude, das einem Funktionär der in Bangladesch regierenden Awami-Liga gehört, 6000 Menschen. Laut einem Bericht von Bangladeschs Online-Nachrichtenportal BD 24 hatte dieser am Dienstag, als bereits tiefe Risse in dem Gebäude entdeckt wurden, erklärt, es gebe keinen Grund zur Beunruhigung. Fabrikbesitzer sollen die Angestellten zur Arbeit gezwungen haben.

Neben einer Bank waren in dem achtstöckigen Gebäude vier Textilunternehmen untergebracht. Bangladesch ist mit jährlichen Textilexporten von rund 20 Milliarden US-Dollar inzwischen zur Nummer 2 der Bekleidungs-Produzenten hinter China aufgestiegen. Doch das südasiatische Land ist nicht nur wegen seiner Minimallöhne, die Niedrigstpreise für westliche Kunden erst ermöglichen, ins Gerede geraten. Im November vergangenen Jahres verbrannten 112 Menschen von Tazreen Textiles in ihrer Fabrik, weil es dort keine Notausgänge gab.