Berlin.
Die Verbraucherorganisation Foodwatch wirft der Lebensmittel-Industrie vor, dass sie bei Produkten, die beliebt bei Kindern sind, die Kunden täuscht. In einer Abstimmung sollen Verbraucher über die dreisteste Werbemasche abstimmen.
Foodwatch spricht von „perfiden Werbestrategien“, mit denen Kinder angelockt würden. „Mit allen Mitteln versuchen die Unternehmen, den Einfluss der Eltern zu umgehen und Kinder für Produkte anzufixen, die die höchsten Gewinnmargen versprechen – und das sind Süßigkeiten und Snacks“, sagt Oliver Huizinga, Foodwatch-Experte für Lebensmittelwerbung. Hohe Zucker-Anteile würden verschleiert.
Ab sofort können die Verbraucher auf www.goldener-windbeutel.de bis zum 15. Mai abstimmen, welches Unternehmen den Preis für die dreisteste Werbemasche des Jahres erhalten soll. Fünf Lebensmittel für Kinder sind nominiert:
Capri-Sonne (Wild/SiSi-Werke): Für die Wasser-Zucker-Aroma-Mixtur mit ein bisschen Fruchtsaft setze Hersteller Wild auf die Nähe zum Sport. Er spricht Kinder bei gesponserten Sport-Events an, vergibt ein eigenes Schwimmabzeichen.
Monster-Backe Knister (Ehrmann): Der Hersteller setze alles daran, überzuckerte Produkte als Spielzeug zu vermarkten. Bei all den Knister-, Blubber- oder Zunge-Färb-Applikationen gerate in Vergessenheit, dass der Joghurt mit acht Stück Würfelzucker pro 135-Gramm-Becher ganz einfach eine Süßigkeit ist.
Pom-Bär (Funnyfrisch): Der Hersteller habe sich eine Selbstbeschränkung für „verantwortungsvolles Marketing“ auferlegt, die Werbung an Kinder unter zwölf Jahren ausschließt. Außer, wenn die Produkte besondere Nährwert-Eigenschaften erfüllen. Diese Hürde überspringt nach Funnyfrischs Definition aber selbst der fettig-salzige Pom-Bär-Snack – 2,5 Prozent Salz, 28 Prozent Fett – und damit mehr als fünf Mal so salzig und doppelt so fettig wie Pommes frites von McDonald’s.
Kosmostars (Nestlé): Laut Nestlé ein „vollwertiger Start in den Tag“ mit „Vollkorngarantie“ – in Wahrheit eine Süßigkeit. „Weniger als neun Gramm Zucker pro Portion“ wirbt Nestlé für seine Kinder-Frühstücksflocken – rechnet die „Portion“ aber auf gerade einmal 30 Gramm klein. Tatsächlich stecken 25 Prozent Zucker in den Kosmostars, mehr zum Beispiel als in Butterkeksen.
Paula (Dr. Oetker): Für den „Kuhflecken“-Pudding (mit 13 Prozent Zucker – mehr als in Dr. Oetkers Schokopudding) schlägt der Hersteller eine wahre Materialschlacht von Klingeltönen über eine iPhone-App bis Online-Karaoke zum Auswendiglernen des Paula-Kinder-Raps aus dem Werbespot.
Mit der Kür der dreistesten Werbemasche möchte Foodwatch das Thema Kinderlebensmittel in den Fokus rücken. Ernährungsexperten mahnen, dass Kinder bereits doppelt so viele Süßigkeiten essen, wie empfohlen wird. Zwar werde Fehlernährung wie Übergewicht beklagt, Hersteller würden aber nicht zur Verantwortung gezogen.
Im vergangenen Jahr hatte Anbieter Hipp reagiert und seinen Instant-Kinder-Tee vom Markt genommen, nachdem dieser den Goldenen Windbeutel bekommen hatte.