München. Ein absichtlich falsch spielendes Orchester? Wo gibt´s denn so etwas? In Bayern. Genauer gesagt an der Bayerischen Staatsoper. Mehr noch: Die Falschspielerei hat sogar System.

Ein absichtlich falsch spielendes Orchester erwartet das Münchner Opernpublikum bei der bevorstehenden Uraufführung von Jörg Widmanns neuer Oper "Babylon". Stardirigent Kent Nagano, der das Werk des 39-jährigen Künstlers am 27. Oktober an der Bayerischen Staatsoper herausbringt, berichtete am Montag von Anweisungen des Komponisten, "nicht zu sauber" zu musizieren. "Wir haben die Partitur sehr gestochen und perfekt interpretiert", sagte Nagano. "Widmann forderte uns aber auf, dass es falsch klingen soll. So etwas habe ich zum ersten Mal gehört."

Von Tutti auf Null

Obwohl die Oper schon in knapp zwei Wochen herauskommt und die Proben unter dem katalanischen Regisseur Carlus Padrissa von der Theatergruppe La Fura dels Baus auf Hochtouren laufen, arbeitet Widmann immer noch an der Vollendung seines ersten abendfüllenden Musiktheateropus. Im letzten Bild fehlten noch etwa viereinhalb Minuten Musik, sagte Widmann. Er müsse in diesen wenigen Takten die Musik von einem Tutti-Höhepunkt auf Null bringen. "Das ist viel schwerer zu schreiben als eine Steigerung. "Dieses letzte Herunterkommen zerreißt mich fast."

Sloterdijk schrieb das Libretto

Das Libretto zu der Oper, mit der die Staatsoper ihre neue Saison offiziell eröffnen wird, hat der Philosoph Peter Sloterdijk geschrieben. Zunächst sei er von dem Projekt nicht begeistert gewesen, sagte Sloterdijk. Ein einziges Gespräch mit Widmann habe ihn jedoch umgestimmt. Trotzdem fühle sich das Unternehmen für ihn an "wie eine ganz schwere, noch nicht diagnostizierte Krankheit".

"Hymnus auf das weibliche Genital"

Die Wünsche des Komponisten seien manchmal etwas ungewöhnlich gewesen, berichtete Sloterdijk von der Zusammenarbeit. Widmann habe ihn einmal aufgefordert, sich für eine bestimmte Szene noch "ein paar Zeilen mehr über weibliche Genitalien" auszudenken. Er habe dann wunschgemäß einen "Vagina-Monolog" geschrieben, einen "Hymnus auf das weibliche Genital". Nach Sloterdijks Regieanweisung soll die Szene jedoch nicht obszön, sondern "sakral und feierlich" realisiert werden, als "erotisches Mysterium der Fortpflanzung". (dapd)