Wenn das Bundesverfassungsgericht sein Urteil zum Euro-Nottopf ESM verkündet, wird es unabhängig vom Ja oder Nein der Verfassungshüter ein historischer Tag für Deutschland. - Ein Kommentar.
Wenn am Mittwoch das Bundesverfassungsgericht sein Urteil zum Euro-Nottopf ESM verkündet, wird es unabhängig vom Ja oder Nein der Verfassungshüter ein historischer Tag für Deutschland, vor allem aber für Europa sein. Warum das so ist, liegt in der Abkürzung ESM selbst versteckt: Europäischer Stabilitäts-Mechanismus. Es handelt sich also um ein Konstrukt zur Stärkung des Euro, das mehr oder minder automatisch, jedenfalls ohne nennenswerte akute Eingriffsmöglichkeiten von Regierungen oder Parlamenten, Finanztransaktionen zur Stützung notleidender Staaten auslöst.
Ein Mechanismus aber, das erkennt man auf den ersten Blick, verträgt sich nicht mit der Hoheit des Parlaments - und eigentlich auch nicht mit dem Selbstbewusstsein souveräner Regierungen. Und so taucht in dem Kürzel ESM wie in einem Brennglas der Geburtsfehler dieser Währungsunion auf, der eben keine politische und soziale Union Geleitschutz gegeben hat, weil das damals nicht durchsetzbar war. Viele Jahre haben wir die Rendite dieses tollkühnen Abenteuers genießen dürfen, jetzt droht der Zahltag.
Das Bundesverfassungsgericht steht vor der schier unlösbaren Aufgabe, einen Spruch zu fällen, der die Europa-Idee nicht auf Jahre beschädigt und zugleich dem Rechnung trägt, dass die Grenzen unserer Verfassung mit den Euro-Rettungstaten überdehnt wurden. Es wird, so oder so, also ein politisches Urteil sein. Wenn den Karlsruher Richtern dieser Spagat gelingt, kann das nur heißen: Die politische und soziale Union in Europa muss schnellstmöglich kommen, und zwar nicht, weil wir die Interessen Deutschlands damit aufgeben wollen, sondern weil wir sie nur so retten können. Einen „Mechanismus“ können Demokraten nicht wollen.