Der deutsche Arzt Ludwig Guttmann legte den Grundstein für die Paralympics im Jahr 1948. Seitdem ist aus dem Behindertensportfest ein Weltspektakel geworden. Der Kampf um Anerkennung aber bleibt.

Will man sich im Deutschen Sport- & Olympia-Museum über die Paralympics informieren, musste man zuletzt fast mit der Lupe suchen. In der hintersten Ecke der Ausstellung am Kölner Zollhafen stand bis vor Kurzem die einzige Infowand, die sich ausschließlich mit dem Thema befasst. Informativ ist sie dennoch: So erklärt sie dem Besucher, dass die seit 1924 ausgetragenen Deaflympics für Hörgeschädigte die traditionsreichsten Sport-Wettkämpfe für Menschen mit Behinderungen sind. Außerdem werden die Special Olympics erwähnt, die 1968 John F. Kennedys Schwester Eunice gründete und sich vor allem auf geistig Behinderte US-Sport-Bewegung fokussierte.

Parallel zu Olympia

Die Geschichte der Paralympics startet 1948 auf Initiative von Dr. Ludwig Guttmann, einem aus Breslau stammenden jüdischen Neurologen, der vor den Nazis nach England geflohen war. Drei Jahre nach Kriegsende organisierte er dort zeitgleich mit den Olympischen Spielen in London im 70 Kilometer entfernten Örtchen Stoke Mandeville Sportspiele für Rollstuhlfahrer – vor allem für Kriegsversehrte. Die Idee war geboren. Doch erst 1960 wurden in Rom die ersten Paralympischen Spiele ausgetragen.

Probleme in Los Angeles

Nachdem die Paralympics 1976 im schwedischen Ornskoldsvik erstmals auch in der Wintervariante ausgetragen wurden, erlebt die paralympische Bewegung 1984 ihren ersten Skandal: Die Organisatoren der Olympischen Spiele von Los Angeles verweigern den Behindertensportlern die Zusammenarbeit. Darüber entzweit sich die Bewegung kurzfristig: Während die Rollstuhlfahrer ihre Spiele nach Stoke Mandeville verlegen, treffen sich andere Behindertensportler in New York.

Vier Jahre später ist die Sportwelt diesbezüglich wieder in Ordnung: Seit den Spielen von Seoul finden die Paralympics am Ort der Olympischen Spiele statt – und in der Regel auch auf den gleichen Sportstätten. Die sind 1996 in Atlanta indes schon teils wieder abgebaut, als die behinderten Athleten anreisen – erneut eine Blamage für einen US-Ausrichter paralympischer Spiele. Immerhin: Seit Atlanta 1996 nehmen auch geistig-behinderte Sportler an den Paralympics teil.

Seit 2012, so scheint es, sind die Paralympics endgültig in Olympia angekommen. Erstmals mussten die Organisatoren bei ihrer Bewerbung für London auch darstellen, wie sie die Paralympics ausrichten. Zudem werden vor Ort beide Spiele von einem einzigen lokalen Komitee organisiert.

Sendezeit verdoppelt

Deutlich zugenommen hat auch das Medieninteresse an den Paralympics: Noch Ende der 1990er Jahre hätten die deutschen Sender von jeder Veranstaltung nur wenige Stunden insgesamt übertragen, heißt es im Kölner Olympiamuseum. Und nachdem ARD und ZDF bereits bei den Paralympics 2008 in Peking täglich mehrere Stunden live auf Sendung waren, haben sie im Vergleich dazu die geplante Sendezeit aus London noch einmal fast verdoppelt (s. Seite 12). Grund für diese Entwicklung seien eine Professionalisierung des Sports „und medienwirksame Persönlichkeiten, die dem Behindertensport ein Gesicht gegeben haben“, sagt Iris Gehrke, Sprecherin des Sport- & Olympiamuseums.

Populäre Persönlichkeiten

Mithilfe dieser Persönlichkeiten bringt denn auch das Museum das Thema Paralympics an die Besucher – etwa anhand eines Trikots von Ski-Langläuferin Verena Bentele oder eines Flacons des Parfüms, das Leichtathlet Oscar Pistorius kreiert hat.

In den kommenden Tagen will das Museum das Thema Paralympics ohnehin noch einmal ganz anders präsentieren, betont Gehrke. Schon im Eingangsbereich sollen entsprechende Ausstellungsstücke den Blick der Besucher auf die Paralympics lenken. Außerdem bietet das Museum spezielle Führungen an. „Eigentlich hatten wir auch eine große Sonderausstellung zum Thema Paralympics geplant. Aber dafür war die Zeit wohl noch nicht reif“, sagt Gehrke mit Blick auf fehlende Sponsoren und verspricht: „Wir bleiben da am Ball.“

Zudem sei das Thema Behindertensport ohnehin immer mal wieder in der Ausstellung vertreten. Eben nicht gesondert, sondern völlig inklusiv. Zum Beispiel im neuen Ausstellungsraum für die Trendsportarten Surfen, Skaten, BMX: Im dort laufenden Film werden der amerikanische Rollstuhl-Künstler Aaron „Wheelz“ Fotheringham genau so selbstverständlich porträtiert wie der beinamputierte Skater Italo Romano aus Brasilien.