Der ermüdende Stellungskrieg im amerikanischen Präsidentschafts-Wahlkampf ist vorbei. Ab jetzt fliegen die Funken. Die Nominierung des marktradikalen Abgeordneten Paul Ryan für den Job des Vize-Präsidenten an der Seite des Republikaners Mitt Romney ist das, was ein Kanister Benzin für offenes Feuer wäre: hoch explosiv.
Kein anderer US-Politiker mit Einfluss verfolgt so missionarisch revolutionäre Konzepte wie der Finanz-Experte aus Wisconsin. Ryan ist entschlossen, die staatlichen Renten-, Sozial- und Krankenversicherungen, die allesamt finanziell aus dem Ruder laufen, grundlegend zu sanieren und den Staatsapparat nebenbei auf Bonsai-Format klein zu sparen. Dass die Lasten dabei einseitig bei Armen und Älteren abgeladen werden, während Reiche weiter Steuergeschenke erhalten und der aufgeblähte Militär-Apparat verschont bleibt, wird die tiefen ideologischen Gräben in Amerika weiter vertiefen.
Der 6. November wird so zur Richtungswahl mit klaren Alternativen. Eine platte Kampagne nach dem dämonisierenden Motto – Zusammenhalt und Sozialstaat (Obama/Biden) versus entsolidarisierte Ellenbogengesellschaft (Romney/Ryan) – können sich die Demokraten gleichwohl nicht leisten. Ryan bringt mehr Substanz, Charisma und Unterstützer auf die Waage als Mitt Romney. Da sind Argumente gefragt, kein Gekeife. Sein Credo, die Staatsverschuldung mit der Axt und nicht mehr mit dem Seziermesser bekämpfen zu wollen, ist über das konservative Spektrum hinaus ein politischer Roh-Diamant. Gelingt es, ihn sozial anzuschleifen, ist alles möglich.
Spannende Frage: Wie wird Obama dagegen halten?