Essen. Hannelore Kraft und Sylvia Löhrmann haben den neuen Koalitionsvertrag vorgestellt. Ein Blick ins Papier zeigt: Die zweite Regierungszeit von Rot-Grün wird ganz anders als die erste. Bis 2017 will die künftige Landesregierung im Haushalt strukturell eine Milliarde Euro einsparen.
Die spendablen Jahre sind vorbei. 2010 zog Hannelore Kraft mit der großzügigen Ansage in die Staatskanzlei, eine Milliarde Euro mehr für Kinder, Kommunen und Bildung auszugeben. Jetzt müssen sich Sozialdemokraten und Grüne zur Auflage machen, den Haushalt um die gleiche Summe zu entlasten. Die Schuldenbremse lässt ihnen keine Wahl.
Das Koalitionspapier, immerhin fast 200 Seiten dick, beschreibt die Wege zu diesem Sparziel nur vage. SPD und Grüne werden ihre kostspielige Politik der Vorsorge mit kräftigen Kürzungen auf einen Nenner bringen müssen, wenn gleichzeitig Steuerquellen weniger ergiebig sprudeln. Das ist die Kunst. Und man wird Kraft daran messen, ob ihr der Rollentausch von der „Schuldenkönigin“ zur Sparkommissarin im eigenen Haus gelingt.
Eine Regieanweisung, keine Bibel
Ein Koalitionsvertrag ist keine Bibel, sondern eine Regieanweisung. Politik muss flexibel bleiben, nur dann kann sie kreativ sein. Fukushima hat gezeigt, wie alles über Nacht auf den Kopf gestellt wird und nach neuen Antworten verlangt. Für Krafts Koalition, die sich auf eine stabile Mehrheit im Landtag stützen kann, bedeutet ihr neues Dasein aber auch: die Pendel-Diplomatie der Minderheitsregierung ist passé. Für Notlösungen und brüchige Kompromisse ist kein Platz mehr. Wer die ganze Macht hat, hat auch die ganze Verantwortung.
Das muss sich auch beim Personal zeigen. Anders als vor zwei Jahren brauchen risikoscheue Kandidaten ein vorzeitiges Ende der Koalition nicht zu fürchten. Kraft kann aus dem Vollen schöpfen. Bei aller Rücksicht auf Postenansprüche aus den SPD-Regionen: Was allein zählen darf, ist mehr Qualität im Kabinett. Da ist, sagen wir es salopp, noch Luft nach oben.
Kein Platz für Verlegenheitsminister
Nordrhein-Westfalen steht vor großen Aufgaben. Genannt seien die Schuldenbremse, die Energiewende oder der Kapazitätsausbau an den Unis. Nur drei Beispiele. Anspruch muss sein, das Land bis 2020 voranzubringen. Mit Verlegenheitsministern ist das nicht zu machen.