Duisburg. Sauerlands Gegner jubeln über die Abwahl – Duisburgs Oberbürgermeister zeigt sich überrascht

. Zuerst war das kurze, aber eindeutige Nicken von Innenminister Jäger in Richtung von Theo Stegmann, dem Sprecher der Bürgerinitiative „Neuanfang für Duisburg“. Schon da ist klar, das Adolf Sauerland, der Oberbürgermeister von Duisburg, abgewählt ist. Als lange Minuten später Stadtdirektor Greulich das Ergebnis verkündet: 129 833 Stimmen gegen den OB, brandet Jubel im Rathaus auf. Draußen steigen Feuerwerks-Raketen in den Himmel. Begeisterung drinnen, Begeisterung draußen. Was für ein stolzes Ergebnis!

Mit Herzblutund Leidenschaft

Kurz vor Bekanntgabe des Ergebnisses war ein alter, ein geschätzter Duisburger ins Rathaus gekommen. Alt-Oberbürgermeister Josef Frings. Als ahnte er schon das Ergebnis voraus, gibt er seiner Partei, der SPD, den Rat, bei der Wahl eines Kandidaten „jemanden von außen“ zu bevorzugen, „einen der nicht in die ganze Sache verstrickt sei. Und auch Innenminister Ralf Jäger (SPD) denkt da schon weiter. Sollte Sauerland abgewählt werden, sei er dafür, dass sämtliche Parteien des Abwahlbündnisses sich auf einen gemeinsamen Bürgermeister-Kandidaten einigen.

Eine Stunde später tritt der Abgewählte vor das Mikrofon im Rathaus-Foyer. Vor der Tür haben sie ihn ausgetrillert, hier drinnen rumort es nun, quittieren sie seine Rede mit abschätzigen Randbemerkungen. Er werde am Mittwoch seinen verwaisten Schreibtisch übergeben, kündigt Adolf Sauerland an. Und er gibt zu, nicht mit seiner Abwahl gerechnet zu haben: „Bei den vielen Erfolgen meiner Arbeit war ich mir sicher, dass das Ergebnis anders sein würde.“ Er habe das Amt mit Herzblut und Leidenschaft ausgeübt. Mit einem „Gott schütze die Stadt Duisburg“ beendet der Noch-Oberbürgermeister seine, wie er sagt, letzte Pressekonferenz in diesem Amt.

Szenen eines langen, eines spannenden Nachmittages in Duisburg: Es ist kurz vor 18 Uhr, als Theo Stegmann, der Sprecher der Bürgerinitiative, den Ratssaal betritt. Etwas nervös, aber guter Stimmung. „Wir haben alles getan. In zwanzig Minuten schließen die Wahllokale, jetzt liegt die Entscheidung bei den Duisburgern“, sagt er. Das Schlimmste, was passieren könne, sei ein knappes Ergebnis für Sauerland. Dann höre die Polarisierung, die Lähmung der Stadt nicht auf.

Optimistisch gibt sich zu diesem Zeitpunkt auch schon Herbert Mettler, der Fraktionsgeschäftsführer der SPD. Die Wahlbeteiligung läge bei über 40 Prozent, sagt er. „Das erhöht die Chance, dass wir unser Ziel erreichen.“ Da ist es 18.10 Uhr, die Auszählung hat zu der Zeit längst begonnen. Im Rathaus-Foyer ist es eng geworden, liegt die Spannung in der Luft. Einzig von der Duisburger CDU ist niemand zu sehen. Sie hat sich in einem Lokal in Walsum versammelt. Auch das wird schon als erster Hinweis auf eine Niederlage interpretiert.

Währenddessen laufen im Rathaus die Vorbereitungen des Abstimmungsabends auf Hochtouren. Wie vor eineinhalb Jahren, bei der schon legendären Pressekonferenz am Tag nach der Loveparade, beanspruchen die Übertragungswagen der Fernsehsender ausladend Platz vor dem Haus.

Oben, im ersten Stock, nehmen die aus ganz Deutschland angereisten Journalisten ihre Arbeitsplätze ein. Direkt vor der Tür zum Foyer saßen sie damals nebeneinander, um ihre Statements zur Katastrophe abzugeben: Lopavent-Chef Rainer Schaller, Ordnungsdezernent Rabe, Planungsdezernent Dressler und Sauerland eben. Heute geht es um dessen politisches Überleben. Wird er im Rathaus auftauchen? Sauerland ist seit Tagen an Grippe erkrankt. Eine taktische Grippe, unken manche, die unterstellen, Sauerland drücke sich davor, im Falle seiner Abwahl vor das Rednerpult im Rathaus zu treten. Dass er es später doch tut, rechnen ihm viele positiv an. Auch BI-Sprecher Theo Stegmann: „Gut, dass er eine Erklärung abgegeben hat. Alles andere wäre feige gewesen“.

UnzähligeJournalisten

Der Jubel ist längst verebbt, die einen feiern, die anderen lecken sich die Wunden, da schreiben im Ratssaal noch unzählige Journalisten. Oben an der Wand hängt ein Ölbild von Karl Jarres, dem rechtsliberalen Oberbürgermeister aus den Jahren 1914 bis 1933. Den Zylinder in der Hand, die Brust Ordengeschmückt. Bei der Ruhrbesetzung 1923 leistete Jarres Widerstand gegen die alliierten Besetzer, ertrug zwei Monate Haft. Das Land feierte ihn danach als „Helden der Nation“. Andere Zeiten, andere Stadtoberhäupter.