Jena. Die Rechtsterroristen Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe stammen aus Jena in Thüringen. Doch heißt das, dass Ausländer sich in dieser Stadt fürchten müssen? Ein ZDF-Beitrag, der genau das nahelegt, verärgert im Moment die Jenaer. Sie fordern eine Entschuldigung des TV-Senders.
Das ZDF-Kulturmagazin "aspekte" hat die Bürger der thüringischen Stadt Jena verärgert. In dem Beitrag „Extreme Gewaltbereitschaft“, den das Magazin am Freitag dem 18.11. ausstrahlte, reist der Schriftsteller Steven Uhly in die Stadt, aus der die Rechtsterroristen Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe stammen. Uhly ist Sohn eines Bengalen und einer Deutschen und lebt in München. In seinem aktuellen Buch „Adams Fuge“ geht es um Neonazis, Türken, Mord und Doppelagenten – „ein Buch, das die Wirklichkeit vorweg genommen hat“, wie „aspekte“ findet.
Tenor der Sendung: Menschen, die wie Steven Uhly ausländisch aussehen, müssen in den neuen Bundesländern in ständiger Angst leben. So empfindet er es zumindest. Der Beitrag beginnt am Jenaer Bahnhof Paradies mit den Worten „Jena ist kein Paradies für Migranten“. Obwohl Jena inzwischen als moderne und weltoffene Studentenstadt gilt, kommt keine Gegenstimme zu Wort. Ein NPD-Aussteiger und der linke Jugendpfarrer Lothar König stellen ihre Sicht zur rechten Szene in Jena dar.
"Eher erleichtert" steigt Uhly in den Zug nach München
Immer wieder geht es in dem Beitrag darum, dass Uhly in einer Stadt wie Jena um Leib und Leben fürchten müsste. Von einer „ostdeutschen Angstzone“ ist bei aspekte die Rede. Am Ende des sechs Minuten langen Beitrags steigt Uhly „eher erleichtert“ wieder in den Zug nach München. Im Osten leben, das könne er sich niemals vorstellen.
Barbara Glasser, Pressesprecherin der Stadt Jena, findet deutliche Worte für den Beitrag. „Eine bösartige Verleumdung der Stadt“ sei da zu sehen gewesen, überdies „journalistisch schlecht gemacht“. Dass keine einzige Gegenstimme gehört wird, empört Glasser besonders. Das sehen viele Jenaer Bürger ähnlich. Ihre Heimat sei „keine gefährliche Nazi-Stadt“, beklagen sie im Internet.
Bislang galt Jena als moderner Forschungsstandort
Mit 1,9 Prozent, die die NPD bei den Bundestagswahlen 2009 dort holte, ist Jena tatsächlich keine rechtsextreme Hochburg. Die 100.000-Einwohner-Stadt im Osten Thüringens ist dabei, sich als moderner Forschungsstandort zu etablieren. Gerade erst schaffte es Jena im Wirtschaftsmagazin Capital in die Top-Ten der wirtschaftlich stärksten Deutschlands – als größter Aufsteiger der Liste. Viele junge, gut ausgebildete Leute, gerade auch aus dem Westen Deutschlands zog es in den letzten Jahren an die Saale.
Gerade noch lebten sie in einer „Boomtown an der Saale“ (Handelsblatt), jetzt müssen es die Jenaer auf einmal ertragen, als Einwohner einer gewalttätigen Problemstadt geführt zu werden. „Jena hat sich einen hervorragenden Ruf erarbeitet“, so Glasser. Dieses Image sei nun gefährdet.
ZDF reagiert per Brief und Video
Per Online-Petition fordern die Bürger nun eine Entschuldigung der Verantwortlichen im TV – etwa 4000 Menschen haben bisher unterschrieben. Darauf hat das ZDF reagiert. In einer Stellungnahme heißt es, der Sender bedauere, dass der Beitrag für Empörung gesorgt habe. Man habe nicht die Absicht gehabt, „„den Osten“ und die Stadt Jena pauschal zu verurteilen.“ Es sei aber journalistisch vertretbar gewesen, Uhly, „ein Forum zu geben“, zumal die Zahl der rechten Gewalttaten im Osten Deutschlands tatsächlich bedeutend höher sei als im Westen.
Auch der Leiter der Aspekte-Redaktion Christhard Läpple befasst sich im Video „Zorn in Jena“ mit den verärgerten Thüringern. Jena sei eine liberale, weltoffene Stadt, in der Toleranz großgeschrieben würde, stellt er fest. Zudem schlägt Läpple vor, sich mit den Verantwortlichen in Jena zusammenzusetzen, „damit wir über all die Punkte reden können“. Die Podiumsdiskussion ist für den 5. Dezember geplant.
Rechtsterror überlagert Toleranz-Bemühungen der Stadt
Dem Oberbürgermeister der Stadt Jena, Albrecht Schröter (SPD) wurde, nur einen Tag vor der Ausstrahlung des aspekte-Beitrags, der „Preis für Zivilcourage gegen Rechtsradikalismus, Antisemitismus und Rassismus“ von der Jüdischen Gemeinde in Berlin verliehen. Dass diese Preisverleihung sowie die Bemühungen der Stadt im Kampf gegen Rechtsextremismus unerwähnt blieben, ärgert Glasser besonders. Sie hofft nun, dass Jenas neues Image nicht ganz unter den Berichten über die Rechtsterroristen verloren geht.