Cannes. Der italienische Ministerpräsident Silvio Berlusconi hat offenbar seine Regierungsmehrheit verloren. Politiker aus den eigenen Reihen wechselten zur Opposition. Doch Berlusconi gibt nicht auf, ignoriert Rücktrittsforderungen. Denn außer ihm gebe es niemanden, der Italien im Ausland besser vertreten könne.

Das politische Schicksal des italienischen Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi hängt am seidenen Faden. Nach dem Austritt zweier Abgeordneter aus seiner Partei der Freiheit hat der 75-jährige im Parlament möglicherweise keine Mehrheit mehr. Die beiden Politiker hatten sich der oppositionellen Zentrumspartei angeschlossen, so dass sich Berlusconi jetzt nur noch auf 314 von 630 Mitglieder in der Abgeordnetenkammer stützen kann.

Zudem fordern mindestens sieben andere Abgeordnete aus dem Koalitionslager die Bildung einer neuen Regierung. Sie könnten sich bei der nächsten Abstimmung dem Regierungschef verweigern. "Die Mehrheit schmilzt wie ein Schneemann im Frühling", kommentierte die Wirtschaftszeitung "Il Sole 24 Ore" die jüngste Entwicklung.

Berlusconi, der Rücktrittsforderungen wiederholt abgelehnt hatte, zeigte sich hingegen überzeugt, sein Amt verteidigen zu können. Seine Regierung verfüge über eine solide Parlamentsmehrheit, sagte der konservative Politiker am Freitag nach dem G20-Gipfel in Cannes.Außer ihm gebe es niemanden, der Italien mit mehr Autorität im Ausland vertreten könne. Er kündigte an, die nächste Vertrauensabstimmung werde an die Etatkürzungen geknüpft, mit denen das hoch verschuldete Euroland sein hohes Defizit abbauen will. Zwei Abgeordnete seiner Partei PDL hatten Berlusconi den Rücken gekehrt, so dass er im Parlament keine Mehrheit mehr hatI. m Kampf gegen die immense Verschuldung sicherte Italien am Freitag zu, seine Reformbemühungen den Kontrollen des Internationalen Währungsfonds zu unterwerfen.

Spekulation über Neuwahlen

Der durch zahlreiche Sex- und Korruptionsaffären angeschlagene Ministerpräsident überstand erst Mitte Oktober ein weiteres Misstrauensvotum. Doch die Zweifel wachsen. Italien ächzt unter dem nach Griechenland zweithöchsten Schuldenstand, für die es von den Finanzmärkten mit rekordhohen Zinsen bestraft wird. Die Wirtschaft steht vor einer Rezession. Berlusconi gelang es in dieser Woche im Kabinett nicht, rasche Reformen per Notverordnung durchzusetzen. Spekuliert wird über vorgezogene Wahlen im März. (rtr)