München. Bayern München ist dem Achtelfinale in der Champions League nach dem 3:2 gegen den SSC Neapel ganz nah. Doch die Freude über den Hattrick von Mario Gomez wurde überlagert vom Schock nach dem Ausfall von Bastian Schweinsteiger.
Als Bastian Schweinsteiger zusammengekrümmt auf der Trage lag, geriet die bislang so heile Bayern-Welt ins Wanken. Uli Hoeneß schaute mit bangem Blick von der Tribüne herunter auf den Vize-Kapitän, der sich mit schmerzverzerrtem Gesicht das gebrochene rechte Schlüsselbein hielt. Neben Hoeneß litt Karl-Heinz Rummenigge mit, und auch Schweinsteigers Freundin war schockiert. Was zunächst wie ein harmloser Rempler von Gökhan Inler ausgesehen hatte, entpuppte sich als schwerer Schlag für Bayern München.
„Das ist ein kleiner Schock“, sagte Kapitän Philipp Lahm über den Ausfall seines Kollegen, Trainer Jupp Heynckes war „getroffen“, und Rummenigge meinte: „Das tut weh!“ Dass die Münchner die Tür zum Achtelfinale der Champions League mit dem 3:2 (3:1) gegen den SSC Neapel dank des Hattrick-Helden Mario Gomez ganz weit aufgestoßen hatten, war am späten Mittwochabend nur noch Nebensache. Die Sorge galt dem Anführer, der bereits in der Klinik Rechts der Isar lag.
Lahm schmerzt die Verletzung von Schweinsteiger
Noch in der Nacht auf Donnerstag wurde der 27-Jährige operiert - und der FC Bayern hatte die schlimme Gewissheit, dass er bis zur Winterpause auf seinen wohl wichtigsten Spieler würde verzichten müssen. „Das schmerzt, keine Frage“, sagte Lahm. Auch Gomez, der die Münchner mit dem ersten Hattrick eines Deutschen in der Königsklasse (17., 23., 42.) auf Platz eins der Gruppe A gehalten hatte, stand der Schreck über die Verletzung seines besten Kumpels ins Gesicht geschrieben. „Die Mannschaft war geschockt“, sagte er.
In der 51. Minute war Inler bei einem Luftduell so unglücklich in Schweinsteigers Seite gesprungen, dass der Bayern-Star sofort Ungemach spürte. Er hob den Arm und ließ sich auf den Boden sinken, überaus vorsichtig, offenbar, um Schlimmeres zu verhüten. Doch da war es schon zu spät: Beim Zusammenprall hatte er die Fraktur neben dem Schultereckgelenk erlitten, die später mit Hilfe einer Platte und Nägeln gerichtet wurde.
Rummenigge macht Inler keinen Vorwurf
Ausgerechnet Schweinsteiger, möchte man einwerfen, ein Kerl wie ein Baum, bayerisch-urwüchsig. Um diesen strammen Burschen umzuwerfen, meinte man bisher, brauchte es eine Büffelherde oder mindestens eine Horde grimmiger Rugby-Profis. Doch es reichte Inler, der 183 cm große, 80 kg schwere Kapitän der Schweizer Nationalmannschaft. Rummenigge machte dem Napoli-Spieler „keinen Vorwurf. Die Champions League - das ist kein zimperliches Niveau.“ Inler selbst meinte, es sei „ein normales Luftduell“ gewesen: „Das kann im Fußball passieren.“ Er werde Schweinsteiger anrufen und ihn um Entschuldigung bitten.
Schweinsteigers Auswechslung (53.), das betonten hinterher alle Bayern, habe einen Bruch ins Spiel der bis dahin so souveränen Heynckes-Mannschaft gebracht. Diese hatte eine erste Halbzeit gezeigt, die Rummenigge „überragend“ nannte. Sportdirektor Christian Nerlinger sprach vom „Allerfeinsten“ und dem bisherigen „Höhepunkt der Saison“, Lahm ging sogar noch weiter: „Das war eine der besten ersten Halbzeiten, seit ich bei Bayern München bin.“ Sie endete jedoch mit dem 1:3 durch Federico Fernandez (45.), und als dieser Spieler erneut traf (79.), gerieten die Bayern noch einmal unter Druck. Weitere Unruhe brachten Gelb-Rote Karten gegen Juan Zuniga (70.) und Holger Badstuber (77.).
Bayern für Hitzfeld nun führungslos
„Natürlich hat uns Bastian als Spieleröffner gefehlt. Er trägt unser Spiel nach vorne, der Spielaufbau hat nicht mehr funktioniert“, analysierte Thomas Müller. Fernsehexperte Ottmar Hitzfeld wies auf den Wert des „Spiritus rector“ im Bayern-Mittelfeld hin, ohne den die Bayern nun führungslos sind. Rummenigge aber betonte: „Es ist wichtig, dass wir jetzt nicht lamentieren. Der Trainer wird das irgendwie kompensieren, davon bin ich überzeugt.“
Luiz Gustavo und Anatolij Timoschtschuk müssen Schweinsteiger im defensiven Mittelfeld ersetzen und die Münchner bis zur Winterpause noch durch so manches schwere Spiel führen. Nach dem Derby beim FC Augsburg am Sonntag (Nerlinger: „Wir müssen da nachlegen, um unsere Position zu zementieren“) warten in der Liga unter anderem Meister Dortmund, Bremen und Stuttgart. In der Champions League muss gegen den FC Villarreal oder bei Manchester City der letzte noch fehlende Punkt für die K.o.-Runde her.
„Ein Bastian Schweinsteiger ist nicht eins zu eins zu ersetzen“, gab Müller zu bedenken. Mit Blick auf die weiter komfortable Lage in allen Wettbewerben fügte er aber an: „Eigentlich ist das alles Meckern auf hohem Niveau.“ (sid)