Essen. . Die Anschläge auf das World Trade Center und das Pentagon rücken das Netzwerk El Kaida in den Fokus. Zwei Kriege und der Tod des Terrorchefs Osama bin Laden haben jedoch die Gefahr islamistischer Anschläge nicht gebannt.

Kein Ereignis hat das erste Jahrzehnt dieses Jahrhunderts derart geprägt wie die Anschläge des 11. September 2001. El Kaida forderte mit seinem Terror den Westen heraus, der reagierte mit zwei Kriegen und scharfen Anti-Terror-Gesetzen.

Die USA, traumatisiert von den eingestürzten Türmen des World Trade Centers, eröffneten un­ter Präsident George W. Bush das Gefangenenlager Guantànamo, wo Verdächtige ohne rechtliche Grundlage festgehalten werden. Um an Informationen zu gelangen, ließ die Regierung Gefangene foltern. Ex-Vizepräsident Dick Cheney verteidigt dies bis zum heutigen Tag: Die „erweiterten Verhörtechniken“, darunter das simulierte Ertrinken, bezeichnet er als „sicher, legal und effektiv“. Dadurch gewonnene Informationen hätten „Angriffe verhindert und amerikanische Leben gerettet“.

In diesem Teil ihrer Serie über den 11. September und seine Folgen umreißt die WAZ die tödliche Spur des El-Kaida-Terrors vom „Nine-Eleven“ bis zur Tötung des Chef-Terroristen Osama bin Laden, beschreibt die Reaktionen der westlichen Staaten, allen voran Amerikas, und zeigt auf, wo heute die größten Gefahren durch den internationalen Terror liegen.

Die Bedrohung

Das „Reich des Bösen“, das der amerikanische Präsident Ronald Reagan in den 80er-Jahren noch in der damaligen Sowjetunion verortete, ersetzt sein Amtsnachfolger George W. Bush Anfang 2002, also knapp drei Monate nach den Anschlägen vom 11. September, durch die „Achse des Bösen“: Irak, Iran und Nordkorea. Drei Länder, so Bush, die den Weltfrieden bedrohen und den internationalen Terrorismus fördern.

Schon vorher, nur wenige Tage nach den Anschlägen, hatte der Präsident einen anderen Namen verkündet, der bis dato nur Experten ein Begriff war, fortan aber zum Synonym für Mord und Terror wurde: El Kaida. „Die Terroristen“, so Bush in seiner Rede an die geschockte Nation, „haben Weisung, Christen und Juden zu töten, alle Amerikaner zu töten“. Ihr Anführer sei „eine Person namens Osama bin Laden“.

In der Folge zeigt sich, dass die Anschläge von New York und Washington den Auftakt zu einer Terrorserie der El Kaida und ihrer Verbündeten bildeten, die die westlichen Staaten ins Mark treffen sollte. Die blutigsten Anschläge:

Indonesien: Oktober 2002, ein Sprengsatz explodiert in einer Diskothek auf Bali, rund 200 Menschen sterben.

Spanien: März 2004, über 190 Tote und 1600 Verletzte sind die blutige Bilanz der Anschläge auf vier Pendlerzüge in Madrid.

England: Juli 2005, bei Selbstmordattentaten auf drei Metro-Züge und einen Bus werden im Herzen Londons 56 Menschen getötet.

Indien: November 2008, binnen weniger Tage kommt es zu Geiselnahmen und Anschlägen in der Stadt Mumbay. Es gibt 172 Tote.

Der islamistische Terror fordert die westliche Welt heraus. Wie reagieren die USA und ihre Alliierten?

Die Antwort

Die USA reagieren auf den Terror der El Kaida mit aller Härte. Nur Wochen nach den Anschlägen startet die Bush-Regierung den Kriegseinsatz in Afghanistan. Das Schattenreich der Taliban gilt als Zentrum der selbst ernannten islamistischen „Gotteskrieger“. Ein breites Staatenbündnis beteiligt sich mit Truppen, auch Deutschland.

Als im März 2003 die USA einen zweiten Krieg beginnen, diesmal gegen den Irak Saddam Husseins, verweigert die Bundesregierung die Gefolgschaft. Später wird sich zeigen, dass die im Irak vermuteten Massenvernichtungswaffen, die die USA als Hauptgrund für den Einsatz anführten, nur ein Vorwand der Bush-Administration waren.

Bis heute haben beide Einsätze Zehntausende Tote gefordert. Stabilität ist weder in Afghanistan noch im Irak eingekehrt. Die Einsätze sind in den beteiligten westlichen Ländern hoch umstritten. Bis 2014 will die Nato in Afghanistan die Sicherheitsverantwortung an die Afghanen übergeben.

Der Westen reagierte auch innerhalb seiner Grenzen auf den Terror. Fünf Wochen nach dem 11. September beschließen die USA den „Patriot Act“, ein Bündel von Sicherheitsmaßnahmen, das die Bürgerrechte zugunsten der Fahndung nach Terrorverdächtigen einschränkt. Es vereinfacht etwa die Überwachung von Telefonaten und E-Mails oder die Einsicht in Bankdaten. Auch Deutschland beschließt Anti-Terror-Gesetze. So erhalten die Geheimdienste mehr Zugriff auf Bank- und Flugdaten.

Doch ist der Kampf gegen den internationalen Terror zu gewinnen?

Die Perspektiven

Am 2. Mai 2011 kann Präsident Barack Obama der Nation einen Triumph verkünden, der seinem Vorgänger George W. Bush verwehrt blieb: Eine Spezialeinheit der US-Armee hat den El-Kaida-Chef Osama bin Laden , den Drahtzieher des 11. September, in Pakistan getötet. Am Ground Zero jubeln die New Yorker. „Der Gerechtigkeit wurde Genüge getan“, sagt Obama.

Doch auch Obama ist klar, dass mit dem Tod Bin Ladens der islamistische Terror keineswegs besiegt ist. El Kaida mag als Organisation geschwächt sein, dafür rücken andere, nicht minder skrupellose Gruppierungen in den Fokus. Zuletzt etwa durch den Anschlag auf ein UN-Gebäude in Nigeria mit über 20 Toten, zu dem sich die radikal-islamische Sekte Boko Haram bekannte.

Gefahr droht aber auch von anderer Seite: unberechenbare Einzeltäter, die übers Internet der wirren Propaganda der Islamisten verfallen und auf eigene Faust Bomben basteln. Beispiel: Arid U., der im März am Frankfurter Flughafen in einem mit US-Soldaten besetzten Bus um sich schoss und zwei Menschen tötete. U., der nun vor Gericht steht, war zuvor nie als Fanatiker aufgefallen.

Nicht immer haben die Fahnder so viel Erfolg wie im Fall der „Sauerland-Gruppe“, die 2007 in Medebach verhaftet wurde, bevor sie einen Anschlag verüben konnte. Oder so viel Glück wie im Fall der Rohrbomben in Regionalzügen nach Hamm und Koblenz, als die Zünder versagten.

In der Welt der Einzeltäter gibt es keine Befehlsstrukturen mehr, höchstens einen diffusen ideologischen Überbau. Manche fliegen nach Afghanistan oder Pakistan, lassen sich dort in Terrorlagern „ausbilden“. Die Zahl der jungen Männer aus Deutschland, die diesen Weg gingen, wird auf rund 120 geschätzt. Die meisten von ihnen sind untergetaucht.

Wann wird der nächste von ihnen losschlagen?