Dortmund. .
Es ist vollbracht. Borussia Dortmund ist Deutscher Fußballmeister 2011: ein wahrgewordener Traum, ein Erlebnis der Superlative, ein Märchen für Fußball-Romantiker, das wir damals wohl alle nie für möglich gehalten hätten.
Damals, das war ein lauwarmer Abend im Spätsommer 2008. Drei Monate nach dem verlorenen Pokalfinale von Berlin – damals eine von vielen Niederlagen, die bis heute auch nur deswegen kein bisschen mehr schmerzt, weil wir alle in den Jahren zuvor so viel Schlimmeres erlebt hatten.
Irgendwo hinter der Schnettkerbrücke, so wirkte es, tauchte die Sonne an diesem Abend den Himmel über dem Dortmunder Westen in ein leuchtendes Abendrot: Aufbruchstimmung. In der Lounge des Westfalenstadions waren an diesem Abend Fanclub-Vertreter des BVB geladen. Eine Kennenlernrunde mit dem neuen Coach Jürgen Klopp – auf Initiative des Trainers, so hieß es. Es hatte, so erzählen wir uns heute gerne immer wieder, damals eine Stimmung geherrscht, wie vor dem ersten Familienbesuch bei den Eltern der neuen Freundin.
Große Liebe
Von der Person, die dort auf einen zukam, hatte man viel gehört, viel gelesen, viel gesehen, aber wie das nun mal so ist mit der großen Liebe - am Anfang herrscht allem voran eins: Spannung und Vorsicht. Aber anders als mit dem zukünftigen Schwiegervater, war man schnell nur noch bei „Jürgen“ - immerhin noch vor dem ersten Bier, allerdings erst kurz nachdem der millionschwere Fußballtrainer schnell Stühle und Tische rückte und es sich in der Runde bequem machte.
Als die Schnettkerbrücke da draußen vor der Westtribüne in den Tiefen des Emschertals verschwunden war, stand zumindest eins schon mal fest: Der Trainer, der hier auf erste Tuchfühlung mit den Fans ging, meinte es ernst mit uns und unserer Borussia. Klopp hatte damals schon ein Konzept. Eins, das keine Punkte, keine Siege und beileibe keine Titel versprach, sondern nur eins: Leidenschaft. Etwas, das hier so viel mehr zählt, als Jahreszahlen auf dem Briefbogen. Einer wie er ging schon damals immer noch viel weiter, als der Rest seiner Zunft. Sein Sprachstil kennt letztendlich immer nur eins. Superlative.
Einer, wie Klopp spricht von „leidenschaftlicher Besessenheit“, wo andere nur läppischen Siegeswillen fordern und stuft den kommenden Gegner fast schon notorisch als „brutal schwer“ ein, um später applaudierend und mit einem Ruhepuls jenseits der 200, anzuerkennen, dass seine Mannschaft „alles reingeworfen hat und das extrem großartig gelöst hat“. Wie kein Zweiter in der Deutschen Eliteklasse spricht der diplomierte Sportwissenschaftler die Sprache des Stadions.
Positiv bekloppt
Hier, wo Schlachtengesänge und Emotionsausbrüche zu einem nicht näher definierten Ritual zählen und die Formel der Verächtlichmachung des Gegners oft groteske, aber nie bierernste Formen annimmt, ist er zu Hause. Ein positiv Bekloppter, wie man hier sagen würde, der mit einer Symbiose aus rhetorischer Perfektion und profunder Professionalität eine Bereicherung für jede Fernsehsendung wäre. Egal, ob die Moderatorin durch Anne Will oder Jörg Wontorra erfolgen würde.
Was Jürgen Klopp, Stand heute, aus dem Ballspielverein Borussia Dortmund gemacht hat, ist schier unfassbar und mit Dank nicht aufzuwiegen. Bescheiden hat er bereits bekannt, dass er noch der selbe Typ ist, wie damals an jenem Sommerabend im Jahr 2008, er auch wahrlich keinen Start-Ziel-Sieg auf dem Rasen unseres Westfalenstadions hingelegt hat und diesen Erfolg letztendlich seiner großartigen Mannschaft, seinen Vorgesetzten, seinem Trainer-Team und auch uns Fans zu verdanken hat, aber er war und ist die Triebfeder dieses Vereins, der Vater des Erfolgs, die Ursache für so viele Freudentränen, dass in diesen Tagen selbst das große Königreich Großbritannien trotz Traumhochzeit vor Neid erblassen dürfte.
(02.05.11 – Christoff Strukamp – die-kirsche.com)