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Nur ganz wenige Marken wie BMW wuchsen in Deutschland gegen den Trend des 2010 stark schrumpfenden Automarkts.Meist verkauftes Auto war wieder mit Abstand der VW Golf.

Während die Branche gerade zur Sonntag beginnenden Automesse in Detroit reist, um sich und ihren unaufhaltsamen Aufbruch in eine goldene Zukunft zu feiern, kommen in Deutschland die nüchternen offiziellen Neuwagen-Zulassungszahlen des abgelaufenen Katastrophenjahres auf den Tisch. Kurz vor dem 125. Geburtstag des ersten Automobils von Carl Benz steht fest, dass 2010 als Zäsur in die Geschichte der deutschen Automobilindustrie eingehen dürfte.

2 916 260 in den vergangenen zwölf Monaten neu in den Verkehr gebrachte Pkw hat das Kraftfahrt-Bundesamt pe­nibel gezählt, fast ein Viertel weniger als im Vorjahr und auch noch knapp unter dem Niveau von 2008. Zulegen konnte 2010 nur BMW, auf niedrigem Niveau auch Porsche, Jaguar und Land Rover. Der Rest: verlor. Viele davon über Trend hinaus: Toyota und Fiat büßten gleich die Hälfte ihres Absatzes aus dem Abwrackprämienjahr 2009 ein.

Das weiß lackierte Auto sehen die Flensburger Räderzähler mit 11,5 Prozent Anteil auf dem Vormarsch, ebenso den domestizierten Geländewagen. Das Segment der so genannten SUV legte um ein Fünftel auf einen Marktanteil von zehn Prozent zu. Marktführer: der VW Tiguan, ein auf dezenten Offroad-Look getrimmter Golf Plus, den es auch ohne Allradantrieb zu kaufen gibt, was die Kundschaft längst nicht mehr als Makel ansieht.

Am stärksten wuchs mit 22,6 Prozent jedoch das Segment der Sportwagen – oder was das KBA dafür hält. Platzhirsch nach Verkäufen hier: das Coupe der E-Klasse von Mercedes. Der Anteil der Privatkäufer sank wieder, und zwar auf 42,6 Prozent. Ziemlich genauso viele Käufer entschieden sich für einen sparsamen Dieselmotor.

Zu den knapp drei Millionen Pkw kamen auf dem Fahrzeugmarkt noch 140 000 Motorräder, 240 000 Lkw und 65 000 schwere Sattelzugmaschinen. Während die Nutzfahrzeugfraktion um 15 Prozent zulegte, setzte sich der langjährige Abwärtstrend bei den Motorrädern fort (minus zehn Prozent)

Die gute Nachricht in der Pkw-Statistik für das stolze Autoerfinderland: Im Dezember ging es erstmals gegenüber 2009 wieder aufwärts, denn es wurden ein paar Autos mehr auf die Straße gebracht als im Vorjahresmonat. Und: 2010 kamen die ausländischen Konzerne unter die Räder und nur noch auf 30 Prozent Marktanteil. Als Kleinwagenspezialisten hatten sie 2009 überproportional von der deutschen Fünf-Milliarden-Euro-Subvention namens Abwrackprämie profitiert.

Die schlechte Nachricht: Bei rund drei Millionen Neuwagenverkäufen zwischen Wolfsburg und München dürfte es in den kommenden Jahren ohne neue finanzielle Kaufanreize bleiben. Zumindest für die Premiummarken BMW, Mercedes und Audi wird China damit unumkehrbar zum wichtigsten Markt vor Deutschland. So wie für Porsche seit Jahrzehnten der größte Markt die Vereinigten Staaten des Automobils sind. Und in diesen USA soll der Absatz endlich wieder anziehen, und zwar stark: in fünf Jahren von 11,5 auf 15 Millionen Pkw.

60 Millionen Pkw

Die zweite schlechte Nachricht: Der globale Aufschwung in der Branche schafft in Deutschland nur wenige neue Arbeitsplätze. So steigerten die US-Geländewagenfabriken von Mercedes und BMW ihren Ausstoß ganz erheblich, um die Nachfrage zu bedienen. Der VW-Konzern eröffnet 2011 ein Werk in den USA. Alle deutschen Hersteller bauen ihre Kapazitäten in China zügig aus. Verstärkt wird dort nicht nur produziert, sondern auch Entwicklungsarbeit ge­leistet.

Matthias Wissmann, Präsident des Verbands der deutschen Automobilindustrie, rechnet für 2011 mit einem Rekord-Export der deutschen Hersteller von 4,4 Millionen Fahrzeugen. Die globale Pkw-Produktion wird 2011 voraussichtlich die Schwelle von 60 Millionen Stück überschreiten. Dass jeder 20. davon ein deutsches Nummernschild erhält, dürfte wohl 2010 das letzte Mal gewesen sein.