Brüssel. .
Auf dem EU-Gipfel in Brüssel steht Angela Merkel eine Kraftprobe bevor. Die Kanzlerin kämpft für eine Änderung des Lissabon-Vertrags, um Defizitsünder künftig hart zu bestrafen. Doch der Chor der Kritiker ist groß. Merkel droht zu scheitern.
Auf dem EU-Gipfel in Brüssel wird heute eine harte Auseinandersetzung über die Zukunft des Euro erwartet. Bundeskanzlerin Angela Merkel will mit Unterstützung von Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy dafür Änderungen am EU-Vertrag fordern. Beide Länder wollen einen Krisenabwehrmechanismus schaffen, der private Gläubiger im Fall von Schuldenkrisen zur Kasse bitten würde und nicht nur die Euro-Partnerstaaten wie bei dem zeitlich befristeten Euro-Schutzschirm. Hartnäckige Schuldensünder sollen außerdem mit einem Entzug von Stimmrechten bei EU-Entscheidungen bestraft werden. Diese Forderung stößt unter den anderen EU-Mitgliedstaaten auf breite Ablehnung.
Auch der Vorsitzende der 16 Euro-Länder, Luxemburgs Ministerpräsident Jean-Claude Juncker, hält an seiner Ablehnung des von Deutschland geforderten Stimmrechtsentzugs für hartnäckige Defizitsünder fest. Eine solche Maßnahme sei nur vorgesehen, wenn ein Land „massiv gegen Menschenrechte verstößt“, sagte Juncker am Mittwochabend im „heute journal“ des ZDF. Die Finanzpolitik der Staaten dürfe damit „nicht auf eine Ebene“ gebracht werden, fügte er hinzu. Verstöße gegen Menschenrechte und Verstöße gegen Haushaltsregeln seien „zwei verschiedene Paar Schuhe“.
Länder fürchten zermürbende Debatte
Für den Aufbau eines Krisenmechanismus mit privater Beteiligung haben Merkel und Sarkozy dagegen in den vergangenen Tagen einige Unterstützer gefunden. Umstritten ist aber, ob dafür der EU-Vertrag geändert werden muss. Nach dem jahrelangen Ringen um den noch nicht lange geltenden Vertrag von Lissabon fürchten viele Länder eine neue zermürbende Debatte innerhalb der EU. Die Bundesregierung hält eine Vertragsänderung für unverzichtbar, weil ein dauerhafter Krisenmechanismus sonst angreifbar wäre vor dem Bundesverfassungsgericht. Merkel will erreichen, dass der EU-Gipfel einstimmig EU-Ratspräsidenten Herman Van Rompuy damit beauftragt, bis März 2011 einen Entwurf für die Vertragsänderungen vorzulegen.
Deutschland hatte Frankreich für die Vertragsänderungen nur mit Zugeständnissen bei der Reform des europäischen Stabilitäts- und Wachstumspaktes gewinnen können. Die EU-Staats- und Regierungschefs sollen die schärferen Strafen für Defizitsünder beim Gipfel absegnen. Sanktionen sollen künftig schon früher als bisher verhängt werden. Doch behalten die Mitgliedstaaten auf Druck Frankreichs bei der Entscheidung über Strafen das Heft in der Hand. Merkel hat angekündigt, diesem Plan nur zuzustimmen, wenn der Gipfel grünes Licht für die geforderten Vertragsänderungen gibt.
SPD-Politiker prophezeit Scheitern Merkels
Der Fraktionschef der Sozialisten im Europa-Parlament, Martin Schulz (SPD), rechnet mit einem Scheitern der Bundesregierung auf dem EU-Gipfel. Zu dem Vorhaben, notorischen Schuldensündern das Stimmrecht zu entziehen, sagte Schulz der „Hannoverschen Allgemeinen Zeitung“: „Ich bin sicher, dass es zu keiner entsprechenden Vertragsänderung kommen wird, weil die Staaten dafür ein Souveränitätsrecht aufgeben müssten.“ Er bezweifle, dass Länder wie Deutschland und Frankreich sich selbst einem solchen Stimmrechtsentzug unterziehen würden, wenn sie hohe Defizite hätten. Deutschland habe 2009 Glück gehabt, dass nicht eingegriffen worden sei. Der Europapolitiker erklärte: „Frau Merkel hat einfach nicht genug nachgedacht.“ (rtr/afp/dapd)