Soest/Olpe. Zieht die Erfolgsstory Südwestfalens noch? Wo steuert die Region hin? Braucht sie Hilfe? Fragen an die Soester Landrätin Eva Irrgang.
Eva Irrgang (66) ist die einzige Landrätin in NRW. Für den Kreis Soest sitzt die CDU-Politikerin in diesem Jahr an der Spitze des Aufsichtsrates der Südwestfalen-Agentur, deren Aufgabe es ist, die Kräfte der fünf Kreise Olpe, Soest, Siegen-Wittgenstein, Hochsauerlandkreis und Märkischer zu bündeln und nach außen geschlossen aufzutreten.
An der Spitze der Südwestfalen-Agentur stehen eine Landrätin und fünf Landräte. Sind Sie sich eigentlich alle grün?
Auf jeden Fall. Allerdings sprechen wir auch ein klares Wort, wenn es sein muss. Wir sind kritikfähig. Und Positives geben wir gerne weiter. Wir können gönnen. Ich glaube, in vielen anderen Regionen funktioniert das nicht so gut wie bei uns.
Der Kreis Soest liegt am nördlichen Rand Südwestfalens. Ist das für Sie ein Nachteil?
Nein, wir haben beim Förderprogramm Regionale 2025 auch wieder starke Projekte. Gleichwohl haben wir im Blick, dass die Südwestfalen-Agentur aus dem Süden heraus geführt wird, nämlich in Olpe. Wir achten aber darauf, dass der Norden mitgedacht wird.
Die Menschen bezeichnen sich hier als Sauerländer oder Siegerländer, nicht aber als Südwestfalen. Ist Südwestfalen ein Kunstgebilde?
Nein. Niemand will den Menschen ihre Wurzeln nehmen. Aber auch das Sauerland kann im Wettbewerb der Regionen nicht alleine punkten. Deshalb haben die fünf Kreise gesagt: Wir brauchen eine Klammer. Denn am Ende geht es ja immer auch um Fördermittel. Anders hätten wir nicht zwei Regionalen mit zig Millionen Euro geholt. Außerdem konnten wir uns so in Düsseldorf und Berlin als wichtige Industrieregion einen Namen machen. Wir sind heute wer.
„Wir müssen Doppelstrukturen vermeiden“
Morgen müssen wir auch noch wer sein. Wie wollen Sie die Zukunft von Südwestfalen gestalten?
Karl Schneider aus dem Hochsauerlandkreis, der nächstes Jahr den Vorsitz des Aufsichtsrates übernimmt, und ich sind uns einig: Wir werden aufräumen.
Das klingt brutal.
So ist es aber nicht gemeint. Zunächst einmal: Wir sind der Überzeugung, dass dieSüdwestfalen-Agenturweiter bestehen muss, auch wenn die Regionale 2025 abgeschlossen sein wird. Aber wir müssen Doppelstrukturen vermeiden und Synergieeffekte besser nutzen. Starke Wirtschaftsförderungen vor Ort, Hochschulen, Industrie- und Handelskammern, Transferverbünde, den Verein Wirtschaft für Südwestfalen mit mehr als 400 Unternehmen, das Innovationscluster „Do it Südwestfalen“ – das können wir alles noch besser zusammenführen. Wir müssen uns neu sortieren. Das sage ich auch vor dem Hintergrund, dass sehr schwierige Haushaltsjahre vor uns stehen. Die Kassen sind leer. Von uns wird zu Recht erwartet, dass wir das Steuergeld sinnvoll einsetzen. Auch die Landesregierung erwartet von uns eine gute Struktur.
Die Region leidet unter der Sperrung der A 45, die Wirtschaft fordert einen Nachteilsausgleich. Stimmen Sie da ein?
Wie gesagt: Das Geld ist knapp. Aber selbstverständlich führen wir auf Bundes- und Landesebene Gespräche in diese Richtung. Um so wichtiger ist es, dass wir gemeinsam mit einer Stimme auftreten. Wir haben in der Vergangenheit viele Brückenschläge hinbekommen, zum Beispiel von Attendorn nach Lippstadt im Bereich Automobilzulieferer. Ohne die Klammer Südwestfalen wäre uns das vielleicht nicht gelungen. Daran müssen wir weiter arbeiten, das ist eine Daueraufgabe.
Wird der ländliche Raum von der Politik in Düsseldorf und Berlin ausreichend berücksichtigt?
Ganz ehrlich: Da erwarte ich mehr. Es wird viel über Transformation gesprochen, zum Beispiel beim Thema Mobilität. Was in der großen Stadt funktioniert, das funktioniert bei uns aber noch lange nicht.
Wo sehen Sie Südwestfalen in 20 Jahren?
Das ist in einer von Krisen geprägten Zeit natürlich besonders schwer zu beantworten. Aber ich bin Optimistin. Wir werden die digitale Transformation und die Klimatransformation schaffen. Klar, das ist eine riesige Herausforderung. Wir haben im Kreis Soest zum Beispiel große Zementwerke, die müssen das CO2-Problem lösen. Wir müssen Wasserstoffleitungen für unsere energieintensive Industrie bauen. Da passiert aber auch schon viel. Mich stimmt zuversichtlich, dass wir sehr viele starke innovative Unternehmen in der Region haben, die mit unserer Unterstützung den Strukturwandel schaffen werden.