Frankfurt/Main. Nationaltrainer Christian Wück spricht über den Auftrag an die Vereine, den U17-Weltmeistern zu vertrauen und die DFB-Nachwuchsreform.

Rauschender Empfang für die U17-Weltmeister am Montagmorgen auf dem DFB-Campus. Während Familie, Freunde und Fans schwarz-rot-goldene Fahnen schwenkte, schwärmte Bernd Neuendorf von einem „Wintermärchen“. Im Jubel nach der Rückkehr sprach Erfolgstrainer Christian Wück (50) über den Coup einer Generation, die dem deutschen Fußball wieder Hoffnung schenkt.

Was dachten Sie, als die deutschen U17-Weltmeister den Pokal bei der Siegerehrung sofort an Sie übergeben haben?

Christian Wück. Das war sensationell. Ich stand ja in der hinteren Reihe und hatte gehofft, dass ich irgendwann auch drankomme. Wir haben drei Jahre eine gemeinsame Reise unternommen, bei der sich jeder einzelne auch charakterlich entwickelt hat. Es war eine außergewöhnliche Zeit, weil wir eine Entwicklung hingelegt haben, die in diesem Weltmeistertitel gegipfelt ist. Man realisiert langsam, dass die gewonnene Europameisterschaft nur ein Zwischenziel war. Die Freude wird sicherlich noch größer werden. Das ist etwas Einmaliges. Ich gebe diese Mannschaft wirklich nur ungern ab. Aber Hanno Balitsch wird ihnen bei der U18 neue Impulse geben können, davon bin ich überzeugt.

Ihr Spieler Paris Brunner hat auf der Bühne zur WM-Party gesagt: „Was in Indonesien passiert, bleibt in Indonesien.“ Wie haben Sie die Feierlichkeiten erlebt?

Da war ich daher nicht dabei. Die Jungs sollten sich da austoben und das Ganze genießen. Das Wichtigste: Es waren alle pünktlich zur Busabfahrt wieder da (lacht). Ich glaube, ich habe mich beim EM-Finale mehr gefreut als diesmal. Nach dem WM-Endspiel war es mehr eine tiefe Zufriedenheit. Ich bin auch unfassbar stolz auf das Team herum: Wir hatten zwei Ärzte und drei Physiotherapeuten dabei. Die haben gefühlt 24 Stunden am Tag jede Woche gearbeitet. Wir haben den Jungs im Vorfeld gesagt, dass wir ihnen bei den besonderen Bedingungen in Indonesien garantieren, dass sie fit sind. Wir hatten ja immer nur zwei Tage Pause zwischen den Spielen und sind mit Ausfällen und Krankheiten klargekommen.

Zum besten Spieler der EM und WM ist Paris Brunner gewählt worden, der aber bei Borussia Dortmund offenbar einige Probleme hatte, sonst wäre er nicht im Oktober aus disziplinarischen Gründen suspendiert worden. Wie sind Sie mit einem solchen Spielertyp umgegangen?

Paris Brunner kann Spiele allein entscheiden. Er ist ein Individualist – und genau solche Spieler brauchen wir ja. Ich habe ihm im Vorfeld gesagt, er soll diese Individualität auf dem Platz zeigen, muss sich aber auch bewusst sein, dass er nur mit einer Mannschaft gewinnen kann. Er wird das ohne die anderen nicht schaffen. Das hat er hinbekommen und uns sehr geholfen, aber er hat auch das erste Gegentor gegen Argentinien verschuldet. Auch Paris muss noch lernen. Er ist noch mittendrin in seiner Entwicklung.

Auch anderen Spielern wird eine Karriere in der A-Nationalmannschaft zugetraut. Was muss als nächstes passieren?

Jeder hat in diesem Bereich das Ziel, Profi zu werden. Ich habe den Spielern gesagt, der nächste Schritt muss von ihnen kommen und in den Vereinen stattfinden. Die Klubs müssen Mittel und Wege finden, ihnen Spielzeit auf höchstem Niveau zu geben. Das ist unser Nadelöhr in Deutschland. Wir haben genügend Talente, aber wir bekommen es momentan nicht hin, den Jungs im Übergangsbereich ausreichend Spielzeit zu geben. Wir schaffen das nicht in der Bundesliga, nicht in der zweiten Liga und in der dritten Liga auch nicht. Mein ehemaliger Mitspieler Manfred Schwabl hat ja gesagt, wir müssen uns eigentlich dafür schämen, weil wir ja gute Spieler haben. Engländer, Franzosen, Spanier: Alle kriegen es hin – nur wir nicht.

Woran liegt das konkret?

Man muss den Jungs wirklich Vertrauen geben. Das war das große Plus in unserem Team: Wir haben den Spielern vertraut, sie haben uns vertraut. Ich glaube, dieses Vertrauen haben die Profivereine nicht. Die Frage ist, warum nicht. Beim FC Barcelona spielen zwei Akteure aus dem 2006er-Jahrgang in der ersten Mannschaft. Ohne gute Ausbildung, ohne gute Talente werden die A-Nationalmannschaft und die U21 nicht gefüttert mit jungen Spielern. Das würde ich mir in Deutschland auch vermehrt wünschen.

Ihr Jahrgang ist im Grunde noch nach den alten Prinzipien der Nachwuchsförderung so gut geworden. Braucht es überhaupt die Nachwuchsreform, wenn solche Talente herauskommen?

Ja. Kurz und knapp.

Und wie lautet die Begründung?

Weil wir uns beim DFB täglich darüber Gedanken machen, wie wir mehr Talente entwickeln können. Das Zwei-gegen-Zwei, Drei-gegen-Drei, Vier-gegen-Vier ist einfach elementar wichtig, um Jungs und Mädchen künftig offensiv und defensiv besser auszubilden.