Hattingen. Zur Veranstaltung im Rahmen der Aktionswoche „Hattingen hat Haltung“ brachten Bürger alte Dokumente mit. Sie beinhalten persönliche Erfahrungen.

Auch der Bürgertreff Kick beteiligt sich an der Aktionswoche „Hattingen hat Haltung“. Er hat Briefe aus Kriegszeiten gesammelt, die jetzt vorgestellt wurden und bewegende Einblicke ermöglichen.

Bitte aus Blankenstein

Tief in die Not der Menschen im Ersten Weltkrieg lässt ein Schreiben blicken, das eine Blankensteinerin verfasste – und an die „Königliche Hoheit Kronprinz Rupprecht von Bayern“ schickte. Am 25. April 1918. Sie bittet um Urlaub für ihren Sohn, den Gefreiten Wilhelm Altenfeld, Fuhrparkkolonne 727, der „im Felde steht“ seit dem 25. Mai 1915. „Da ich mich ganz verlassen fühle seit dem Tode meines zweiten Sohnes, der auf dem Felde der Ehre für sein geliebtes Vaterland gefallen ist und seit dem Tode meines lieben Mannes, möchte ich Sie darum bitten, weil ich selber herzleidend bin und mit meinen 8 Kindern allein stehe.“

So ergreifend der Brief ist, so knapp ist die Antwort vom 7. Mai 1918, die ihr beschieden wird: „Ihrem Antrag kann vorläufig aus dienstlichen Gründen nicht entsprochen werden.“ Blanker Hohn ist da, dass jene „Frau Witwe Anna Altenfeld, geborene Storchmann“, am 20. Februar 1935 ein vom Landrat unterzeichnetes Dokument zugeht: Im Namen des Führers und Reichskanzlers wird ihr „zur Erinnerung an den Weltkrieg 1914/1918 das von dem Reichspräsidenten Generalfeldmarschall von Hindenburg gestiftete Ehrenkreuz für Eltern verliehen“.

Anweisung auf rosa Papier

Renny Hagel (84) kann noch Sütterlin lesen – und hat damit auch einigen Hattingern geholfen, die zwar Briefe von Familienangehörigen aus den Kriegen hatten, aber nie um ihren Inhalt wussten. Etwa 16 Briefe aus Kriegszeiten hat er für die Kick-Aktion „Kostbare Briefe“ übersetzt – und besitzt selbst noch Dokumente aus der Kriegszeit. Beispielsweise ein rosafarbenes DIN-A4-Papier „Treckanweisung für den Kreis Eichenbrück“ – unterzeichnet von der NSDAP-Kreisleitung Eichenbrück.

Treck I führte von Templin über mehrere Stationen bis Dannenberg. „Bei Erreichen der Gaugrenze erfolgen durch die Meldeköpfe der NSDAP weitere Anweisungen, denen strikte Folge zu leisten ist“, ist da zu lesen. Dazu hat Hagel noch einen Brief seines Onkels Harry Hoffmann von 1956, wo er genau diesen Treck beschreibt. „Den hat er verfasst für den Lastenausgleich damals.“ Darin schildert er ausführlich Gefangenschaft und Internierung. „Im Brief bin ich mit meinen beiden Geschwistern auch genannt“, sagt Hagel. Denn: Sie seien von 1945 bis 1949 interniert gewesen, „als Zivilgefangene, aber uns ist nichts geschehen. Die Provinz Posen war durch den Versailler Vertrag polnisch geworden. Ich bin noch als polnischer Bürger geboren.“ Seit 1954 lebt Hagel inzwischen in Hattingen.

Tagebuch der Mutter

Das Tagebuch ihrer Mutter hat Sabine Keiderling (62) zufällig im Nachlass gefunden. „Ich suchte die Aufzeichnungen meiner Oma.“ Denn gut erinnerte sie sich noch an die Berichte ihrer Großmutter. „Damals war ich vier Jahre alt. Und sie erzählte mir von den Bomben. Mir machte das als Kind keine Angst, denn ich dachte, dass es meine Eltern ja auch überlebt haben.“ Wie sich ihre Mutter fühlte, das erfuhr sie aus dem handgeschriebenen Tagebuch. 1941 gibt es einen Eintrag, in dem ihre damals keine 20 Jahre alte Mutter berichtet, dass sie am Tag zuvor in Ratingen ausgebombt wurden. „Sie lebten in einer Zwei-Zimmer-Wohnung. Die Möbel, alles war weg.“

Brief vom Vater ist ein Schatz

Noch heute werden die Augen von Ingrid Dörr (72) feucht, wenn sie liest, was ihr Vater 1958 an seine Kinder schrieb. Zwar nicht vom Krieg, aber von seiner Flucht aus der DDR. Damals war Ingrid Dörr gerade zehn Jahre alt. „Dieser Brief ist ein Schatz für mich. Ich habe ihn erst vor drei Jahren zum ersten Mal gelesen, wusste gar nichts davon. Ich habe ihn erst gefunden, als meine Mutter gestorben war.“

Der Brief zeigt, wie schwer es für ihren Vater war, fortzugehen. „Das war seine Heimat. Er beschreibt, wie wir aus der Wohnung schlichen, wie er Schatten auf der Straße sah, sich noch einmal kurz umdrehte – und dann war er fort aus seiner Heimat.“ Sogar ein Bild hat er auf den Brief gemalt. Als Erinnerung.