HATTINGEN. . Für viele Tierarten entwickelt sich das Klima zu schnell. Britta Kunz, die Leiterin der Biologischen Station, nennt Gewinner und Verlierer

Über die Hitze und Trockenheit dieses Sommers wurde viel gesprochen und berichtet. Und mit ihnen war der Klimawandel wieder in aller Munde. Dass dessen Wetterextreme nicht nur Auswirkungen auf uns Menschen, sondern auch auf wildlebende Tiere haben, fand aber nur hier und da Beachtung. Ich erinnere mich etwa an Bilder von Fischen auf dem Trockenen, auch im EN-Kreis, weil ganze Bäche ausgetrocknet waren. Das sind Auswirkungen, die wir unmittelbar beobachten können. Darüber hinaus hat der Klimawandel vielfältige Einflüsse auf die Natur, die nicht direkt ins Auge fallen.

Tiere, Pflanzen und die Ökosysteme haben sich über sehr lange Zeit hinweg an bestimmte klimatische Verhältnisse angepasst. Werden diese zu schnell verändert, kommen viele Arten nicht nach. Auch das komplizierte Beziehungsgeflecht kommt durcheinander.

Der Winterschlaf für Siebenschläfer wird kürzer

So wacht der Siebenschläfer aufgrund milderer Temperaturen mittlerweile etwa vier Wochen eher aus dem Winterschlaf auf, sucht dann nach einem Platz für die Jungenaufzucht. Zu diesem frühen Zeitpunkt sind viele Nistmöglichkeiten aber noch mit Vogeleiern oder Jungvögeln belegt – sie werden vom Siebenschläfer gefressen. Andererseits können milde Winter auch schlecht für Tiere sein, die Winterschlaf halten. Denn nur bei kühlen Temperaturen können sie ihren Stoffwechsel so weit herunterfahren, dass ihre körpereigenen Energiereserven bis zum Frühjahr reichen.

Wie meistens gibt es also Gewinner und Verlierer. Zu den Gewinnern gehören, vereinfacht gesagt – die wärmeliebenden Arten. Zum Beispiel hat die Zahl der Grünspechte in den letzten Jahren in NRW zugenommen. Der Admiral, ein Tagfalter, wanderte bisher jedes Jahr im Mai vom Mittelmeerraum zu uns, um sich hier fortzupflanzen. Seit etwa zehn Jahren scheinen einige Individuen aber auf den Weg zu verzichten und überwintern hier. Aus wärmeren Gebieten wandern auch Arten zu uns ein, die hier bisher nicht vorkamen. So brütet der Bienenfresser, eine Vogelart aus dem Mittelmeerraum, mittlerweile in der Kölner Bucht. Das Einwandern „neuer“ Arten stellt dann eine Gefahr dar, wenn „die Neulinge“ sehr konkurrenzstark sind und den heimischen Arten Brutplätze und Nahrung streitig machen.

Für den Kuckuck wird es eng

Zu den Verlierern gehören dagegen in der Regel jene Arten, die es ein bisschen kühler brauchen, um sich fortpflanzen zu können. Ob die Arten langfristig überleben können, hängt davon ab, ob sie den kühleren Norden oder höhere Lagen überhaupt und rechtzeitig erreichen.

Unter den Vögeln haben bei uns auch die sogenannten Langstreckenzieher, wie der Gartenrotschwanz und der Trauerschnäpper, das Nachsehen. Sie überwintern südlich der Sahara. Kehren sie im Frühjahr wie gewohnt zurück, sind die Nistmöglichkeiten oft bereits besetzt. Unter Umständen finden sie auch nicht genug Nahrung für den Nachwuchs. Auch für den Kuckuck wird es eng: Kommt er aus seinem Winterquartier in Afrika zurück, ist die Brut der Vogelarten, denen er seine Eier unterschiebt, oft schon zu weit fortgeschritten. Die Kuckuckseier werden nicht mehr ausgebrütet.

>>> NATÜRLICHES EN

Brit­ta Kunz, Lei­te­rin der Bio­lo­gi­schen Sta­ti­on im Kreis, schreibt in ihrer Ko­lum­ne „Natürliches EN“ für die WAZ regelmäßig über die Natur vor un­se­rer Haus­tür.

Fra­gen un­se­rer Leser be­ant­wor­tet sie gern. Kontakt per E-Mail (info@​biologische-​station.​de) und schrift­lich (Bio­lo­gi­sche Sta­ti­on im EN-Kreis, Loher Stra­ße 85, 58256 En­ne­pe­tal). Um­fang­rei­che In­fos gibt es auch unter www.​biologische-​station.​de. Speziell über die Auswirkungen des Klimawandels in NRW informiert zudem eine kostenlose Broschüre des Landesamtes für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz Nordrhein-Westfalen unter www.lanuv.nrw.de.