Die Schlagerlegende wird kommende Woche 75 Jahre alt. Im Interview spricht er unteranderem über die 70er-Jahre und ein Fischerdorf in Kalifornien

Fast ein halbes Jahrhundert ist es her, dass Michael Holm mit „Mendocino“ seinen ersten großen Hit hatte. Am 29. Juli wird er 75 Jahre alt und ist längst eine lebende „Schlagerlegende“. Als solche geht er bald mit weiteren Stars aus den (und in ihren) 70ern auf Tournee. Stefan Moutty sprach mit Holm, der auch für andere Stars Hits schrieb und produzierte, über seine lange Karriere.

Herr Holm, Sie werden kommende Woche 75 – wie fühlen Sie sich?

Michael Holm: Gut, Danke!

Haben Sie eine große Party geplant?

Nein, ich kann nicht – ich habe an dem Tag einen Auftritt. Natürlich werde ich noch feiern, aber die Feier wird verschoben.

Sie haben einige der größten Hits des deutschen Schlagers gesungen. Die erfolgreichsten sind sicher „Mendocino“, „Barfuß im Regen“ und „Tränen lügen nicht“ …

... aber auch „Musst du jetzt gerade gehen, Lucille?“ war ein Hit mit 700 000 verkauften Platten. „El Lute“ hat sich über 400 000 Mal verkauft. „Nur ein Kuss Maddalena“ ist auch ein Song, ohne den ich gar nicht von der Bühne gehen darf.

Sie haben Ihre Songs nicht nur gesungen, sondern vielfach auch selbst geschrieben, im Team mit anderen.

Ein international sehr, sehr erfolgreicher Titel, den ich mit Giorgio Moroder geschrieben habe, war etwa „Nachts scheint die Sonne“. Die englische Version, „Son Of My Father“, war in England und den USA ein Riesenhit. Und noch heute erfreut es mich, wenn ich meine Gema-Abrechnung bekomme und sehe, dass der Titel noch lebendig ist und von überall auf der Welt die Beträge einkleckern.

1974 Nummer eins in Deutschland: „Tränen lügen nicht“.
1974 Nummer eins in Deutschland: „Tränen lügen nicht“. © Ho

Auf ihrer Gema-Abrechnung finden sich sicher ganz viele verschiedene Titel. Welcher ist denn regelmäßig der erfolgreichste und wird heute noch am meisten gespielt?

Mein erfolgreichster Song als Autor ist „Fiesta Mexicana“ – Ralf Siegel hat die Musik komponiert, ich hab den Text geschrieben und Rex Gildo hat’s gesungen. Das ist ein unbeschreiblicher Moneymaker gewesen. Von dieser Sorte hat Ralf Siegel ja 20 oder 30, ich habe einen mit ihm zusammen.

„Mendocino“ ist aber fast ein ebensolcher Klassiker wie „Fiesta Mexicana“. Er erschien schon 1969 – waren Sie damit einer der ersten Stars des deutschen Schlagers, wie er in den 70er populär wurde?

Es gab davor schon Roy Black, der sehr erfolgreich war. Und Rex Gildo war ebenfalls schon Anfang der 60er Jahre gut dabei. „Mendocino“ war im Original übrigens West Coast Rock. Meine Version galt als Schlager, weil alles deutsch Gesungene so genannt wurde. Mitverantwortlich für den Erfolg war auch die tolle Produktion von Giorgio Moroder, der ja nicht umsonst einer der erfolgreichsten Autoren und Produzenten nach dem Zweiten Weltkrieg ist.

Waren Sie eigentlich schon mal in „Mendocino“?

Mehrfach. Das ist ein winziger Fischerort, in dem sich in den 60ern die Hippies trafen. Doug Sahm, der damals das Original von „Mendocino“ geschrieben hatte, hielt sich dort auf. Da gibt’s vielleicht 150 Häuser, drei Hotels und ein paar Andenkenläden. Es ist nicht viel los, aber die Landschaft ist wunderschön. Es liegt direkt an der nordkalifornischen Steilküste und ist umgeben von Redwood-Wäldern – ein magischer Ort.

Gibt’s denn immer noch Hippies dort?

Als ich dort einmal in meinem Hotel an der Bar saß, kam einer rein: lange Haare, fransige Kleidung und ein freundliches Gesicht. Er setzte sich zwei Plätze weiter und irgendwann fingen wir das Reden an. Als ich ihm erzählte, dass ich mit „Mendocino“ in Deutschland einen Riesenhit hatte, war er ganz begeistert. Später, da waren wir schon leicht angeschickert, haben wir zusammen „Mendocino“ gesungen, klopfend auf die Bar, alle Leute haben geschaut – er auf Englisch und ich auf Deutsch.

Sie erwähnten Giorgio Moroder. Seinen Namen verbindet man mit der Disco-Musik und dem München der 70er-Jahre.

München war damals die Musik- und Showbusiness-Stadt Nummer zwei in der Welt, nach New York, aber vor Los Angeles und sogar London. Wir hatten dort 142 Studios, die Tag und Nacht ausgebucht waren. Musiker gab es zu Tausenden in der Stadt, man brauchte sie ja. Ich erinnere mich auch an eine Modeboutique, „Lord John & Lady Jane“, er war schwul und sie war lesbisch, die hatten die verrückteste Mode. Aus der ganzen Welt, aus London, Mailand, New York und Paris schwebten die Menschen ein, um bei „Lord John & Lady Jane“ einzukaufen. Ich hab da mal einen goldenen Satinanzug gekauft, mit Pailletten bestickt – gruselig! (lacht)

Als die Mikros noch Kabel hatten: Michael Holm bei einem Auftritt in der 70ern.
Als die Mikros noch Kabel hatten: Michael Holm bei einem Auftritt in der 70ern. © dpa Picture-Alliance

Wann haben Sie den getragen?

Einmal in der „Hitparade“. In den 90ern hab ich ihn einer Wohltätigkeitsversteigerung zur Verfügung gestellt. Er wurde für 6900 Mark von einem Fan ersteigert. Das war aber auch ein Hammerteil, ein absoluter Hingucker.

Sie haben damals in München gelebt. Wie sahen Ihre Tage aus?

Bei mir war immer was los, ich hatte ein offenes Haus, wie man so schön sagt. Es war immer jemand da und es wurde gefeiert bis in die Nacht. Manchmal musste ich auch oben schreiben und unten war eine Party im Gange. Oder ich bin zur Hitparade nach Berlin geflogen, und als ich wiederkam, lief die Party immer noch.

Die Münchner Diskotheken der 70er sind legendär ...

In der Disco hast du nach links geschaut und gedacht, „Der sieht aus wie Elton John“, und das war Elton John. Dann hast du nach rechts geschaut und gedacht, „Der sieht aus wie Keith Richards“ – das war Keith Richards. Die Superstars haben sich da selbstverständlich unters Publikum gemischt, ohne dass es einen riesigen Auflauf gegeben hat.

Gingen Ihre Schlagerkollegen damals auch bei Ihnen ein und aus?

Natürlich – von Christian Anders über Jürgen Drews bis Martin Mann. Das war eine sehr lebendige, freundschaftliche Geschichte, ohne Konkurrenz.

Die „Schlagerlegenden“ Tournee:

Tournee mit Lena Valaitis, Ireen Sheer, Graham Bonney, Peggy March und dem Orchester Otti Bauer. Termine:
14.10. Köln (E-Werk),
18.10. Münster (Halle Münsterl.),
20.10. Wesel (Niederrheinhalle),
21.10. Frankfurt (Jahrhunderth.).

Karten kosten im VVK ca. 58 €.

Auf der Tour „Schlagerlegenden“ gehen Sie ja gleich mit mehreren Ihrer Schlagerkollegen von einst auf Tournee.

Die Idee dazu kam von Orchesterleiter Otti Bauer, er wollte etwas Ähnliches machen wie seinerzeit die erfolgreiche „Swinglegenden Tour“ mit Max Greger und Klarinetten-Hugo Strasser. Das Besondere ist, dass wir mit einem echten Live-Orchester auftreten, weg von der Konserve. Das kommt gut an, wir machen’s in diesem Jahr zum dritten Mal.

Kolleginnen wie Lena Valaitis, Peggy March oder Ireen Sheer sind mit dabei. Schwelgt man da nicht in endlosen Erinnerungen?

Natürlich erinnert man sich an manche Begebenheit von früher. Aber ich wehre mich immer gegen dieses typische „Damals war alles besser“. Heute gibt’s auch tolle Interpreten und Produktionen – nichts gegen die 70er-Jahre, aber es leben die 2010er-Jahre.